Mitarbeiterporträts
Vom Finanzamt zur innovativen Kunststoffentwicklung
In jungen Jahren brütete er über Zahlen, nun bastelt er an den Kunststoffen der Zukunft: Jan-Kevin Pein ist Leiter Verfahrenstechnik beim Compoundeur Mocom
von Roman Winnicki
„Ich sage das ganz offen: Ich komme aus einer Nichtakademikerfamilie und musste mich nach der zehnten Klasse Realschule sofort bewerben.“ So erläutert Jan-Kevin Pein rückblickend den Anfang seines beruflichen Werdegangs. Mit 15 Jahren wurde er also beim Arbeitsamt vorstellig, dort schlug man ihm die Laufbahn des Finanzbeamten vor. Es war an einem grauen und verregneten Tag – „so sah das Finanzamt übrigens auch aus“, erinnert sich der heute 39-Jährige mit einem Schmunzeln. Kein gutes Omen, dennoch unterschrieb er kurz nach dem Bewerbungsgespräch den Vertrag über eine zweijährige Ausbildung und blieb danach noch weitere vier Jahre in der Behörde.
Keiner hätte damals vermutet, dass dieser Mann später einmal an immer noch besseren Kunststoffen tüfteln würde! Kein Wunder: Pein scheute zu jener Zeit noch das Risiko. „Ich war von Haus aus sehr auf berufliche und finanzielle Sicherheit bedacht.“ Obwohl ihm bald klar war: „Das ist nicht meine Passion. Das machst du nicht die nächsten 40 Jahre lang.“ Und er wollte lieber mit Menschen in einem Team zusammenarbeiten, statt sich allein durch Berge an Leitz-Ordnern zu wühlen. Recht schnell fand er sein persönliches Lebensrezept, das er dann in die Tat umsetzte: Abendschule besuchen – Abitur nachholen – Job kündigen – Maschinenbau studieren!
Der Weg an die Uni hat sich gelohnt
„Ist nicht der Spatz in der Hand besser als die Taube auf dem Dach?“ So mahnte ihn der Großvater. Eine große Stütze war in dieser Zeit sein Elternhaus, das nach anfänglicher Skepsis doch hinter ihm stand und während des Studiums stets den Rücken stärkte.
Und den Weg an die Uni bereute der junge Mann keine Sekunde. Während des Studiums spezialisierte er sich auf den Bereich der Werkstofftechnik. Über eine Exkursion kam anschließend der erste Kontakt mit der Firma Albis Plastic zustande, aus der später die Mocom Compounds GmbH & Co. KG ausgegründet wurde. 2010 absolvierte der angehende Ingenieur am unternehmenseigenen Technikum sein Praxissemester und schrieb dort auch seine Diplomarbeit. „Da habe ich enorm viel Praxisbezug gehabt: Das hilft mir heute immer noch, teilweise sogar mehr als die vier Jahre Studium.“
Nach der Uni folgten kurze Episoden bei unterschiedlichen Arbeitgebern, darunter auch Albis. Endgültig landete er dann 2018 wieder bei diesem Unternehmen und wurde mit offenen Armen empfangen. Seitdem ist Pein Director Process Technology – auf Deutsch: Leiter der Verfahrenstechnik. Damit ist Pein verantwortlich für ein achtköpfiges internationales Team mit Kollegen in Deutschland, in China und in den USA.
Der zweifache Vater wird nicht müde zu betonen, wie wichtig ihm Teamarbeit und die persönliche wie auch fachliche Entwicklung seiner Mitarbeitenden sind. Der „Director“ sieht sich nicht als Hirte, der ständig über seine Schäfchen wacht. Er setzt auf flache Hierarchien, auf Begegnungen auf Augenhöhe – und er will die Begeisterung und Leidenschaft weitergeben, die er selbst tagtäglich in die Welt der Kunststoffe steckt. Seine Mannschaft dankt es ihm mit eigenständiger Entwicklungsarbeit: „Mein Ziel ist es, eine hohe Vertrauensbasis zu meinen Mitarbeitenden aufzubauen. Diese müssen verinnerlichen, worauf es ankommt, damit ich mich zu 100 Prozent auf mein Team verlassen kann. Und das kann ich!“, so Pein.
Ein bisschen so wie Kuchen backen
Aber was macht das Team eigentlich, was darf er davon verraten? Man stelle sich einen Kuchen vor. Die Entwicklungsabteilung von Mocom hat die Rezeptur dafür erdacht. „Wir Verfahrenstechniker müssen dann jedoch noch herausfinden, wie lange die Rezeptur gerührt und wie lange sie im Ofen gebacken werden muss, damit etwas Vernünftiges dabei herauskommt“, erklärt Pein. Der Ofen ist in diesem Fall der Doppelschneckenextruder und der Rührer die Extrusionsschnecke.
Sind die Verfahrensparameter für das gewünschte Ergebnis einmal ermittelt, setzt die Produktion sie anschließend in die Tat um und stellt zum Beispiel verschiedene Kunststofftypen mit spezifischen Eigenschaften her. Wichtig ist dabei auch, dass alles genau nachvollziehbar ist. Denn wenn etwas schiefgeht, vor allem in den großen Kunststoffanlagen mit mehreren Tonnen Materialdurchsatz pro Stunde, wird es für das Unternehmen schnell teuer. Dokumentation ist deshalb das A und O. „Und da kommt mir doch wieder meine Zeit im Finanzamt zugute“, scherzt Pein.
Sein Team sieht sich durchaus als „Verbesserungsabteilung“. Verbessert werden sollen nicht nur die Eigenschaften von Kunststoffen. Es geht auch um Nachhaltigkeit, also zum Beispiel darum, den Anteil an recyceltem Kunststoff in bestimmten Produkten ohne Qualitätseinbußen zu erhöhen. Davon können dann die Bau- und die Automobilwirtschaft (die zu den größten Kunden zählen) profitieren, indem sie etwa Entwässerungsrinnen oder Motorraumteile mit einem höheren Anteil an Recycling-Kunststoffen einsetzen.
Nicht zuletzt deshalb brennt Pein für seinen Job. Er will dem Zusammenspiel der Werkstoffe auf den Grund gehen. Eine der vielen Herausforderungen sind dabei schwer zu recycelnde Materialien wie Polyamidfasern aus Produktionsabfällen. Diese wiederzuverwerten und erneut in Produkten einzusetzen, das treibt ihn derzeit an.
Übrigens: Gelernt ist gelernt – seine Steuererklärung macht Pein natürlich bis heute einfach selbst.
Mocom Compounds – die Fakten
Die Mocom GmbH & Co. KG mit Sitz in Hamburg ist ein weltweit tätiger Compoundeur von thermoplastischen Polymeren. Das Unternehmen beschäftigt insgesamt rund 800 Mitarbeitende, verteilt auf fünf Produktionsstandorte in Deutschland, in China und in den USA. Das Familienunternehmen steht unter dem Dach der Otto Krahn Group GmbH, zu der unter anderem auch der Kunststoffdistributor Albis und der Recycler Wipag gehören.