Mitarbeiterporträts

Im Takt der Technik

Morgens Maschinenlärm, abends Bühnengewitter: Tim-Uve Krüger fertigt beim Maschinenbauer Troester Extruderschnecken für die Gummi-Industrie. Nach Feierabend spielt er Bass in einer Metal-Band, die es fast zu Ruhm gebracht hat

von Isabel Link

· Lesezeit 5 Minuten.
Metal und Metall: Beim Troester-Mitarbeiter Tim-Uve Krüger passt das Hobby zum Job. Foto: KAUTSCHUK/Michael Wallmüller

Hannover. Schwarzes Hemd, schwarze Hose, Totenkopfring am linken Mittelfinger: Tim-Uve Krüger fällt mit seinem Outfit auf – zumindest an diesem Tag. „Normalerweise komme ich so nicht zur Arbeit“, sagt der Industriemeister. Doch heute macht er eine Ausnahme, denn es geht nicht nur um seinen Beruf, sondern auch um sein Hobby. Und das darf man ihm ruhig ansehen. Er spielt den Bass in einer ­Metal-Band, die seit über 20 Jahren im Semi-Profi-Bereich erfolgreich ist.

Es war ein glücklicher Zufall, der Krüger vor 16 Jahren mit seiner Band zusammenbrachte. In einem Musikgeschäft in Hannover stieß er auf eine Anzeige: „Taste of Sin sucht neuen Bassisten.“ Krüger erinnert sich, dass er eigentlich lieber Gitarre spielen wollte. „Aber die Chance, mit dieser Band, die damals schon bekannt war, zu spielen, konnte ich mir nicht entgehen lassen“, erinnert sich der heute 38-Jährige.

Hart und zart: Krüger liebt Metal, hört aber auch gern klassische Musik und Blues. Foto: KAUTSCHUK/Michael Wallmüller

Hart und zart: Krüger liebt Metal, hört aber auch gern klassische Musik und Blues. Foto: KAUTSCHUK/Michael Wallmüller

Seine Karriere dagegen war kein reiner Zufall. Sein Vater arbeitete 43 Jahre beim hannoverschen Maschinenbauer und Spezialisten für Extrudertechnik Troester und nahm den Sohn ab und an mit in die Werkhallen. „Schon als Kind haben mich die Extruderschnecken fasziniert – das Herzstück eines jeden Extruders.“ Damals ahnte er noch nicht, dass er selbst einmal sein Berufsleben damit verbringen würde.Krügers Weg in die Industrie begann mit einer Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker mit Schwerpunkt CNC-Frästechnik in einem anderen Betrieb. Nachdem dieser jedoch in seinem dritten Lehrjahr Insolvenz anmelden musste, wechselte er zu Troester. Das war ein entscheidender Wendepunkt in seiner Karriere. 

Vom Fräser zum Führungsposten

Beim Maschinenbauer begann seine berufliche Beziehung zu den Extruderschnecken. Ein Extruder ist eine Förderanlage, mit der feste bis dickflüssige Massen unter hohem Druck durch eine Öffnung gepresst werden. Diese Maschinen werden überall in der Prozesstechnik gebraucht – von der chemischen und pharmazeutischen Industrie bis hin zur Lebensmittelproduktion. 

Stolz auf die Schnecke: Schon als Kind war Krüger fasziniert von Schnecken, die das Herzstück eines jeden Extruders bilden. Foto: KAUTSCHUK/Michael Wallmüller

Stolz auf die Schnecke: Schon als Kind war Krüger fasziniert von Schnecken, die das Herzstück eines jeden Extruders bilden. Foto: KAUTSCHUK/Michael Wallmüller

Zuerst war er für das Fräsen der Bauteile zuständig, bevor er sich mehrere Jahre der Programmierung widmete. „Irgendwann fragte man mich, ob ich die Leitung der Schneckenabteilung übernehmen möchte. Auf diese Frage gab es für mich nur eine Antwort“, erzählt Krüger. Das ist nun sieben Jahre her. Heute ist er Industriemeister und leitet ein Team von 19  Mitarbeitern. Sein Büro mit großen Glasscheiben liegt mitten zwischen den Maschinen. „Das ist ein großer Vorteil, denn so brauchen meine Jungs nur zu winken, wenn es Probleme oder Fragen gibt, und ich komme.“

Hinter den Kulissen eines Frühaufstehers

Sein Arbeitstag beginnt in der Regel um 5.30 Uhr und endet oft erst nach 14.30 Uhr. „In dieser Zeit habe ich gesehen, was in allen drei Schichten passiert ist, und weiß über alles Wichtige Bescheid“, sagt er. Die Schneckenabteilung bei Troester ist ein Sonderfall. Anders als in anderen Bereichen gibt es hier nur einen Vorgesetzten. Krüger ist der alleinige Ansprechpartner und muss dafür sorgen, dass alles läuft.

Nach Feierabend widmet sich Krüger entweder seiner Familie – er hat eine neunjährige Tochter – oder seiner Musik. Je nach Terminlage treffen sich die fünf Band-Mitglieder dienstags oder donnerstags bei ihm in der Wedemark, einer 30.000-Einwohner-Gemeinde in der Region Hannover. Früher haben sie in einem Jugendzentrum geprobt, aber das Auf- und Abbauen nahm so viel Zeit in Anspruch, dass für die Musik selbst wenig Raum blieb. In seinem Keller dagegen ist immer alles griffbereit: Verstärker, Instrumente und kalte Getränke. Zum Glück seien die Nachbarn tolerant, sagt Krüger. „Im Sommer haben wir bei offenem Fenster geprobt. Da hat mir ein Freund, der in einem anderen Ortsteil wohnt, eine Nachricht geschrieben: ‚Ah, ihr probt also gerade!‘“ Danach ließ die Band die Fenster lieber geschlossen. 

Die Musik von „Taste of Sin“ beschreibt Krüger als Bittersweet Melodic Metal. Sie klingt kraftvoll und emotional zugleich. Ihre Songs schreiben sie selbst, nur gelegentlich wagen sie sich an ein Cover. Vor zehn Jahren nahmen sie an einem Bandcontest teil, den die Firma Sennheiser organisiert hatte, um ihr neues Funkmikrofon zu bewerben. „Damals haben wir ‚I’m the One and Only‘ von Chesney Hawkes neu interpretiert.“

Gemeinsam oder gar nicht

Mit seiner Band hat der Bassist schon einiges erlebt. So organisierte eine Verwandte einmal einen Auftritt in Schweden, der ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist. „Wir hatten ein ganz normales Set vorbereitet, aber das Publikum konnte gar nicht genug von uns bekommen“, erinnert sich Krüger. „Und ganz zu schweigen vom Alkohol, den wir mitgebracht hatten.“ 

Zusammenhalt: Krüger lebt Teamwork nicht nur mit seiner Band „Taste of Sin“, sondern auch in seinem Job als Teamleiter. Foto: KAUTSCHUK/Michael Wallmüller

Zusammenhalt: Krüger lebt Teamwork nicht nur mit seiner Band „Taste of Sin“, sondern auch in seinem Job als Teamleiter. Foto: KAUTSCHUK/Michael Wallmüller

Beinahe hätte „Taste of Sin“ sogar den großen Durchbruch geschafft. Bei einem Auftritt im Musikzentrum Hannover waren Musikmanager im Publikum, die so begeistert waren, dass sie die Band fürs Vorprogramm von Shows der „21 Pilots“ anfragten. Doch die Sängerin war zu jener Zeit schwanger und die Band entschied sich, zusammenzubleiben. „Wir sagten uns damals: Entweder wir kommen gemeinsam groß raus – oder keiner“, erinnert sich Krüger. „Und das war eine gute Entscheidung.“ Denn für eine Musikkarriere hätte er vieles andere aufgeben müssen. 

Sein zweites Band-Projekt zum Beispiel, mit dem er sich den Traum vom Gitarristen doch noch erfüllte. Mit einer ehemaligen Klassenkameradin gründete er das Duo „Just Time“, das für melancholische Klänge und dunkle Bluesmelodien steht – Dark Blues eben. Auch ein Metaller braucht mal eine Pause vom Metal.

Troester GmbH & Co. KG – die Fakten

Die Firma Troester wurde 1892 von Paul Troester in Hannover gegründet, um im Zentrum der damals aufstrebenden Kautschukindustrie Kunden mit modernen Maschinen zur Verarbeitung des Materials zu beliefern. Heute gehört der Maschinenbauer zu den weltweit führenden Herstellern von Anlagen für die Kautschuk-, Kabel- und Rohstoffindustrie. Das Unternehmen beschäftigt rund 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist in über 40 Ländern aktiv.

 

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