Mitarbeiterporträts

Ewig lockt die Currywurst

Schmeckt das Essen, schmeckt der Job: Kantinenchefin Svetlana Agarkin kocht bei Marangoni wie zu Hause. Und sorgt damit für zufriedene Gesichter

von Werner Fricke

· Lesezeit 5 Minuten.
Frisch und selbst gemacht: Kantinenchefin Svetlana Agarkin kocht bei Marangoni wie zu Hause. Foto: KAUTSCHUK/Frank Freudenthaler

Henstedt-Ulzburg. Einheitsbrei, Tiefkühlkost, Hauptsache billig – für viele Arbeitnehmende ist die Betriebskantine ein echter Appetitverderber. Nicht so bei der Marangoni Retreading Systems Deutschland GmbH im schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg. Der Reifenzulieferer hat Svetlana Agarkin. Die 44-Jährige leitet die Cafeteria des Unternehmens nördlich von Hamburg. Sie weiß: Bekommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht das, was sie gerne hätten, werden sie ungehalten.

„Dabei ist es ganz einfach, alle glücklich zu machen“, sagt sie und strahlt. Ihr Lachen ist ansteckend. Ihre Herzlichkeit ist alles andere als gespielt. Zur Begrüßung gibt’s Kaffee. Dann erzählt sie: „Vor genau 20 Jahren sind wir aus Russland nach Deutschland gekommen. Unsere Tochter war zwei.“ Weg von zu Hause, von der Familie, von den Freunden. „Das war nicht leicht für mich und meinen Mann.“ Der hatte schon früh eine Stelle bei Marangoni bekommen. Das italienische Familienunternehmen produziert mit 150 Mitarbeitern in einem der modernsten Werke Europas Material für die Reifenrunderneuerung.

Hier kommen viele verschiedene Nationalitäten und Kulturen zusammen – auch aus Russland. „Das hat uns den Einstieg erleichtert“, sagt sie. Als vor neun Jahren die Stelle in der Cafeteria frei wurde, erfuhr sie durch ihren Mann davon. „Da habe ich mich beworben und wurde sofort genommen.“

Bio, vegetarisch oder deftig? „Die gute Mischung macht’s“, sagt die Küchenchefin. Foto: KAUTSCHUK/Frank Freudenthaler

Bio, vegetarisch oder deftig? „Die gute Mischung macht’s“, sagt die Küchenchefin. Foto: KAUTSCHUK/Frank Freudenthaler

Kaffeeduft noch vor Sonnenaufgang

Seitdem ist die Kantinenküche ihr zweites Zuhause: Morgens um 5.30 Uhr steht sie schon hinter der Theke, kocht Kaffee und belegt rund 60 Brötchen. Mit Ei, Käse, Pute – was das Herz begehrt. Ab 6 Uhr hat die Cafeteria geöffnet. 1,30 Euro kostet das halbe belegte Brötchen, Kaffee gibt’s gratis. Die Auswahl ist groß: Espresso, Café Crema, Cappuccino, Latte macchiato. Die Kollegen der Frühschicht sind die Ersten. Svetlana, wie sie von allen freundlich geduzt wird, hat eine wichtige Erfahrung gemacht: „Auch der beste Arbeitstag kann nur so gut werden wie das Essen in der Kantine.“

„Es ist ganz einfach, alle glücklich zu machen“
Svetlana Agarkin, Kantinenchefin bei Marangoni

Ihr Erfolgsrezept: frische Ideen, hochwertige Zutaten und viel Liebe. Bei Marangoni kocht die Kantinenchefin noch selbst. „Ich mache es wie zu Hause und frage alle, was sie gerne essen möchten“, sagt sie. Und dann geht sie einkaufen. Bio, vegetarisch, vegan? Oder doch lieber herzhaft-deftig mit viel Fleisch? „Die gute Mischung macht’s“, sagt sie. Gesund ist wichtig. Kleine Fleischportionen, dafür viel Gemüse und Salat. Dazu serviert sie auch gerne mal ein selbst gebackenes Kräuterbrot. Das Verständnis für gesunde Ernährung sei stark gewachsen, sagt sie.

Doch eines ist und bleibt wie immer: Die Currywurst steht ganz oben auf der Hitliste der beliebtesten Gerichte. Das Mittagessen kostet übrigens 3,50 Euro, Getränke sind frei. Genauso wie das freundliche Lächeln und der kurze Plausch: „Wir sind hier wie eine große Familie. Ich kenne fast jeden und unterhalte mich auch gerne mal über Privates, den Urlaub oder die Kinder.“ Um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geht es dabei aber nie. „Politik ist Politik“, sagt Swetlana.

In der Warenannahme: Hasan Gülbas (rechts) schätzt die Firmenkantine und empfi ehlt sie auch Lkw-Fahrern von außerhalb. Foto: KAUTSCHUK/Frank Freudenthaler

In der Warenannahme: Hasan Gülbas (rechts) schätzt die Firmenkantine und empfi ehlt sie auch Lkw-Fahrern von außerhalb. Foto: KAUTSCHUK/Frank Freudenthaler

Vier Jahrzehnte Treue

Regelmäßig schauen auch Lkw-Fahrer bei ihr in der Cafeteria vorbei. Den Tipp haben sie von Hasan Gülbas bekommen. Der 61-Jährige arbeitet im Wareneingang von Marangoni. Sein weißes Containerbüro ist die erste Anlaufstelle für die Fahrer der anliefernden Speditionen. Er etikettiert die Waren mit Barcode und Gewicht und bringt sie per Gabelstapler oder „Ameise“ ins Lager oder direkt in die Produktion. Das Firmengelände kennt er aus dem Effeff. „Ich bin schon fast mein ganzes Leben hier“, lacht Gülbas. Genauer gesagt: Seit 43 Jahren gehört er zum Marangoni-Team.

Mit 18 Jahren kam er aus einem kleinen Dorf in der Türkei nach Deutschland. „Ich wollte unbedingt weg, am liebsten zu meinem Vater, der schon in Deutschland arbeitete“, erzählt er. Längst sind die Strapazen des Anfangs vergessen. „Heute fühle ich mich hier sehr wohl.“ Auch, weil das Verhältnis zu den Kollegen oft sehr freundschaftlich ist. Und weil die Firma zu ihm hielt, als er wegen einer schweren Erkrankung eineinhalb Jahre ausfiel. Das habe ihm neuen Lebensmut gegeben. Seine drei Enkelinnen sind sein Ein und Alles. Deshalb begleitet er sie auch gerne zum Sportunterricht oder Yoga. Was sie später einmal werden wollen, das überlässt er natürlich ihnen. Aber man spürt: Hasan Gülbas hätte kein Problem damit, wenn auch seine Enkelinnen später einmal in der Gummiindustrie arbeiten würden. Denn er sieht die Zukunft positiv.

Preise wie „früher“: Ob Schnitte oder Mittagessen – Marangoni hält die Kantinenpreise durch Subventionen niedrig. Foto: KAUTSCHUK/Frank Freudenthaler

Preise wie „früher“: Ob Schnitte oder Mittagessen – Marangoni hält die Kantinenpreise durch Subventionen niedrig. Foto: KAUTSCHUK/Frank Freudenthaler

Essen (ver-)bindet

Kautschuk ist ein Naturprodukt – und daher sind keine zwei Tranchen gleich. Um die feinen Unterschiede zu erkennen, braucht Marangoni Spezialisten mit einem geschulten Auge. Deshalb tut das Unternehmen viel, um seine Mitarbeitenden langfristig an sich zu binden. Dazu gehört auch die Betriebskantine, die das Unternehmen stark subventioniert. Die Preise sind human, zudem sieht Marangoni im eigenen Mitarbeiterrestaurant ein wichtiges Element der Unternehmenskultur. Die Werte eines Familienunternehmens stehen nicht nur im Leitbild, sondern werden täglich gelebt und serviert.

Übrigens: Marangoni erneuert die Lkw-Reifen nicht selbst, sondern stellt das Material dafür her. Und zwar für fast alle Reifenhersteller und Runderneuerer in Europa. Ähnlich einem Schuster, der Sohlen, Nägel, Leisten und auch den Hammer braucht, liefern die Norddeutschen ein Komplettpaket für einen Reifenrunderneuerungsbetrieb.

Marangoni – die Fakten

Die Marangoni Retreading Systems Deutschland GmbH ist ein Spezialist im Bereich der Reifenrunderneuerung für Nutzfahrzeuge. Das Unternehmen erneuert die Lkw-Pneus nicht selbst, sondern stellt das notwendige Material dafür her. In Henstedt-Ulzburg, nahe Hamburg, produziert der Betrieb mit 150 Mitarbeitenden. Zusammen mit der italienischen Konzernmutter Marangoni versorgen die Norddeutschen vor allem den nord-, mittel- und osteuropäischen Markt.

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