Mitarbeiterporträts
Elastomere auf dem Prüfstand
Thorsten Ruch sorgt als Elastomer-Prüfer bei O-Ring Prüflabor Richter mit Belastungstests und Analysen weltweit für den korrekten Einsatz des Werkstoffs
von Fabian Stetzler
Großbottwar. „Feuerwehrmann“, antwortet Thorsten Ruch lachend, als er nach seiner Berufsbezeichnung gefragt wird. „Das ist nur mein Spitzname“, klärt der 43-Jährige gleich auf. Er ist Elastomer-Prüfer, aber im Team einer derjenigen, die in mehreren der Prüfverfahren im Portfolio des Betriebs geschult sind. „Wenn es in einer Abteilung viel zu tun gibt, werde ich oft gefragt, ob ich aushelfen kann.“ Sein Vorgesetzter, der Laborleiter Dominik Günther, bezeichnet den gelernten chemisch-technischen Assistenten (CTA) deshalb als einen seiner wichtigsten Mitarbeiter. „Thorsten ist auch unsere gute Seele“, erzählt er, „wenn es mal Konflikte zwischen Mitarbeitern gibt, ist es meist er, der sie löst.“
Ruch winkt bescheiden ab, als er dieses Lob hört. Wer ihm begegnet, kann sich jedoch gut vorstellen, was sein Chef meint. Er wirkt auf Anhieb sympathisch, vertrauenserweckend und zuverlässig. Und Zuverlässigkeit ist das, worum sich im O-Ring Prüflabor Richter alles dreht. Die Firma in Großbottwar nördlich von Stuttgart ist ein Spezialist für die Prüfung von Elastomeren, also von elastisch verformbaren Kunststoffen. Sie gilt in Europa als eine der wichtigsten unabhängigen Einrichtungen auf diesem Gebiet. Der O-Ring im Firmennamen, eine gängige Bezeichnung für ein kreisförmiges Dichtungselement, sei, wie Ruch bemerkt, noch ein Überbleibsel aus den Anfangszeiten, als hauptsächlich Automobilhersteller und -zulieferer aus der Region zu den Kunden zählten. „Es geht mittlerweile um alle Arten von Elastomeren.“
Experte in Verlässlichkeit
Auch Laborleiter Günther unterstreicht, der Kundenstamm sei seither stark gewachsen. „Die Proben kommen zum Teil sogar aus Übersee. Unsere Palette an Dienstleistungen ist einfach selten auf dem Markt zu finden.“ Insbesondere bei Schadensanalysen bietet das Prüflabor Kunden aus der Kautschuk-Branche einen großen Mehrwert. Dank der jahrelangen Erfahrung mit Werkstoffen ist es ihm meist möglich, genau festzustellen, wie die Mischungen und ihr Nutzungsverhalten verbessert werden können. Auch bei Werkstoffplanungen kann das Labor passgenau vorgeben, wie gewünschte Eigenschaften des Werkstoffs zu erreichen sind.
Das Wachstum lässt sich am Firmengebäude ablesen: Vom Dach bis zum Keller erstrecken sich eng aneinander hochmoderne Laborbereiche mit Mikroskopie- und Messgeräten sowie Werkstätten zur Probenvorbereitung. Dazu kommen Lagerstätten für Proben in Flüssigkeiten. „Meistens sind das Öle“, erklärt Ruch zwischen Regalgängen, „aber ich hatte auch schon viele andere Medien, etwa Ketchup für einen Kunden aus der Lebensmittelindustrie.“
In der Zentrale seien vor allem Proben gelagert, die nicht allzu viel Platz brauchen, meist mit Lagerzeiten von 24 bis mehreren Tausend Stunden. „Größere Proben und Dauertests haben wir an unseren Standort in Ilsfeld ausgelagert“, so Ruch. Das Firmengelände in Großbottwar ließe sich nicht mehr erweitern, der Anbau von 2015 war die letzte Erweiterung.
Proben immer anonym
Dieser moderne Anbau mit seiner Edelstahlfassade, der gegenüber der alten Stadtmauer und den Fachwerkhäusern von Großbottwars Altstadt steht, fällt im Ortsbild auf. Ein Effekt, der auch für Ruch entscheidend war. Nach seiner Ausbildung an der Kerschensteinerschule in Stuttgart, an der er CTA lernte und zugleich das Fachabitur absolvierte, arbeitete er bis 2017 in Gerlingen für einen Pharmakonzern in der Qualitätssicherung. Als der seine Produktion nach Rumänien verlagerte und Ruch sich nach 15 Jahren einen neuen Job suchen musste, stach ihm der Sitz des Prüflabors beim Vorbeifahren ins Auge. „Ein glücklicher Zufall“, erinnert er sich heute. Zwei Monate später war er angestellt.
Seither ist Ruch Teil des 21-köpfigen Laborteams, dem CTAs, physikalisch-technische Assistenten, Chemiker und Ingenieure angehören. Er misst unter anderem die Härte, Dichte oder Oberflächenbeschaffenheit der Elastomere sowie die Alterungsbeständigkeit nach bestimmten Normen, etwa mit Ozonprüfschränken zur Simulation von Umweltbedingungen. Sein Arbeitsbereich umfasst zudem die Räume mit Öfen und Klimaprüfschränken für Prüfungen unter extremen Temperaturen. „Die Herkunft der Materialien bleibt anonym, um die Unvoreingenommenheit der Prüfer sicherzustellen“, erklärt der Prüfer. „Nur die Kundenbetreuer wissen, was zu welchen Kunden gehört.“
Volle Digitalisierung und Echtzeitwerte
Ruch schätzt an seinem Unternehmen die familiäre Atmosphäre. „Die kurzen Wege, falls es mal etwas zu besprechen gibt, kannte ich von meinem vorigen Arbeitgeber nicht“, betont er. So sei es etwa kein Problem gewesen, dass er früher mit der Arbeit beginnt, um seinen fünfjährigen Sohn rechtzeitig vom Kindergarten abzuholen. „Unser Geschäftsführer und Eigentümer Timo Richter ist im selben Alter und hat einen gleichaltrigen Sohn, der hatte dafür gleich Verständnis.“
Ruch ist nun als Erster im Betrieb und hat dadurch eine weitere wichtige Rolle eingenommen: Die Firma entwickelt derzeit eine eigene Laborsoftware, um ihre Prozesse zu digitalisieren und effizienter zu gestalten. Kunden sollen so künftig auch über ein Web-Portal in Echtzeit über ihre Proben informiert werden. „Das System ist gerade im Testlauf“, beschreibt Ruch. „Ich bin meist morgens derjenige, der die Probleme zuerst bemerkt. Die gebe ich dann an den Entwickler weiter und kann Verbesserungen vorschlagen. Das ist schon spannend.” Als wäre sein Job als Prüfer nicht schon spannend genug.
Prüflabor Richter – die Fakten
Die 1996 in Großbottwar gegründete O-Ring Prüflabor Richter GmbH ist auf die Prüfung und Beratung im Bereich elastomerer Materialien spezialisiert. An zwei Standorten bieten 10 Kundenbetreuer und 21 Labormitarbeiter unter anderem umfassende Schadensanalysen und Unterstützung bei der Werkstoffplanung. Im hauseigenen Elastomer-Institut gibt die Firma in Seminaren ihr Know-how in der Optimierung von Mischungen und des Nutzungsverhaltens weiter.