Chefgespräche

Talente aufs Land!

Was braucht es, um den Nachwuchs aus den Metropolen aufs Land zu lotsen? Mapa-Geschäftsführer Dr. Ralf Holschumacher setzt auf moderne Arbeitszeitmodelle, gezielte Förderung und ein familiäres Betriebsklima

von Werner Fricke

· Lesezeit 5 Minuten.
Nicht nur global, sondern auch lokal gut aufgestellt: Mapa-Geschäftsführer Dr. Ralf Holschumacher und sein Team fördern Karrierechancen und Weiterbildung. Foto: KAUTSCHUK/Christian Eckhoff

Zeven. Das ländliche Idyll lockt kaum noch junge Talente aus den Großstädten. Für Betriebe wie den niedersächsischen Kautschuk-Spezialisten Mapa wird es immer schwieriger, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Im Chefgespräch beschreibt Geschäftsführer Dr. Ralf Holschumacher, wo die Herausforderungen liegen und welche Lösungsansätze das Unternehmen verfolgt.

Herr Dr. Holschumacher, die Unternehmen der Kautschukindustrie stehen aktuell vor besonderen Herausforderungen. Was steht bei der Mapa ganz oben auf der Liste?

Holschumacher: Gegenüber anderen Unternehmen sind wir in der glücklichen Lage, in unserem Marktumfeld vergleichsweise gute Bedingungen zu haben. Hinzu kommt, dass wir in eine große Konzernfamilie mit rund 24.600 Beschäftigten eingebunden sind. Insgesamt vertreibt der Markenkonzern Produkte von über 60 verschiedenen Marken. Die Vorteile dieses großen Netzwerks können wir nutzen. Allerdings spüren auch wir immer deutlicher, wie schwierig es ist, Fachkräfte zu gewinnen. Nicht, weil der Wettbewerb immer besser wird, sondern weil die Verfügbarkeit geeigneter, qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stark gesunken ist.

Sinkende Mobilitätsbereitschaft: Für Betriebe im ländlichen Raum wird es laut Holschumacher schwieriger, Fachkräfte zu finden. Foto: KAUTSCHUK/Christian Eckhoff

Sinkende Mobilitätsbereitschaft: Für Betriebe im ländlichen Raum wird es laut Holschumacher schwieriger, Fachkräfte zu finden. Foto: KAUTSCHUK/Christian Eckhoff

Wie macht sich das in der Praxis bemerkbar?

Holschumacher: Vor allem daran, dass die Bereitschaft zur Mobilität geringer geworden ist. Zeven liegt im Herzen des Elbe-Weser-Dreiecks, etwa in der Mitte zwischen Bremen und Hamburg, in einer stark ländlich strukturierten Region. In der Vergangenheit konnten wir auch Mitarbeitende zum Beispiel aus Bremen motivieren, den Weg zu uns auf sich zu nehmen. Es wird immer schwieriger, sehr gut ausgebildete Menschen aus den Metropolen zu überzeugen, in unsere Region zu kommen.

Das klingt auf den ersten Blick sehr verwunderlich. Schließlich verfügt die Region über eine starke Wirtschaftskraft.

Holschumacher: Ja, das stimmt. Unser Wirtschaftsstandort ist gut aufgestellt. Wir haben eine starke Nahrungsmittelindustrie, einen soliden Maschinen- und Anlagenbau sowie viele Zuliefer- und Servicebetriebe in unserer Nachbarschaft. Aber genau das führt zu einem intensiven Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Jede Branche sucht die besten Talente, was den Arbeitsmarkt für Unternehmen sehr anspruchsvoll macht.

Wie steuern Sie gegen?

Holschumacher: Ich denke, das Gesamtpaket muss stimmen. Daran arbeiten wir ständig. Zum Beispiel bieten wir Homeoffice für alle an, die es einrichten können. Corona hat dafür gesorgt, dass längst überfällige Veränderungen endlich angegangen werden. Zum Gesamtpaket gehört auch, dass wir neue Berufsbilder anbieten und bei Weiterbildungsmaßnahmen finanziell unterstützen. Um dem Trend zum Hochschulstudium etwas entgegenzusetzen, bieten wir nun auch ein duales Studium an. Dadurch sind wir für Menschen attraktiver geworden, die sich früher nicht für einen Arbeitsplatz hier im ländlichen Raum interessiert hätten.

„Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
fühlen sich bei uns wohl“
Mapa-Geschäftsführer Dr. Ralf Holschumacher

Mehr Homeoffice und mobiles Arbeiten bedeutet aber auch ein anderes Verhalten der Führungskräfte.

Holschumacher: Richtig, statt auf die Kontrolle von Arbeitsergebnissen zu setzen, müssen wir jetzt viel persönlicher und vor allem individueller führen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insgesamt haben heute immer mehr auch ihre ganz eigenen Ziele und Vorstellungen für ihr Berufsleben, darauf müssen wir als Unternehmen reagieren. Wir bieten zum Beispiel ein Nachwuchsführungskräfte-Programm an, in dem wir unsere Teamleiter von morgen stärker als bisher auf ihre neuen Aufgaben vorbereiten. Sie sollen gemeinsam in die Zukunft blicken und dabei ermutigt werden, fundierte und auch mutige Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist uns, dass sie im Sinne von Mapa sind.

Welche Rolle spielen Fort- und Weiterbildungen?

Holschumacher: Qualifizierung und Weiterbildung auf allen Ebenen im Werk und in der Verwaltung sind uns wichtig. Wir beobachten, dass viele junge Menschen nach der Ausbildung gleich ein Studium aufnehmen wollen. Es gibt aber auch andere Wege, Karriere zu machen. Deshalb kümmern wir uns frühzeitig um unsere Nachwuchskräfte. Zum Beispiel, indem wir Neueinsteigern genügend Zeit geben, sich optimal einzuarbeiten. Ich glaube, dass dieser sogenannte Onboarding-Prozess immer wichtiger wird. Dazu gehört, alle Prozesse und Abläufe mit genügend Zeit aufzuzeigen und offen zu erklären. Wir wollen unsere Talente nicht alleine lassen, sondern in den ersten Monaten verstärkt mit ihnen in Kontakt bleiben. Andererseits wollen wir aber auch lernen, was wir besser machen können.

Entscheidend für unseren Wohlstand: Über die Bedeutung der Industrie als Jobmotor spricht KAUTSCHUK-Reporter Werner Fricke (links) mit dem Mapa-Chef. Foto: KAUTSCHUK/Christian Eckhoff

Entscheidend für unseren Wohlstand: Über die Bedeutung der Industrie als Jobmotor spricht KAUTSCHUK-Reporter Werner Fricke (links) mit dem Mapa-Chef. Foto: KAUTSCHUK/Christian Eckhoff

Das hört sich nach einem Geben und Nehmen an. Ist dieser Eindruck richtig?

Holschumacher: Auf jeden Fall. Eine große Rolle spielt dabei das Emotionale. In der Mapa-Familie sind Vielfalt, Spaß, Vertrauen und Ehrlichkeit enorm wichtig. Einen besonderen Stellenwert hat in diesem Zusammenhang auch die Wertschätzung. Was sich nach Floskeln anhört, leben wir. Und das macht uns aus.

Inwiefern ist die Marke Nuk hier von Bedeutung?

Holschumacher: Es ist nicht nur Nuk. Alle unserer Marken haben eine ganz entscheidende Bedeutung. Sie sind extrem positiv besetzt – und davon profitieren wir nicht nur im Vertrieb, sondern auf allen Ebenen unseres Unternehmens. Das gibt jedem hier das Gefühl, etwas Sinnvolles und Gewinnbringendes zu tun. Ganz entscheidend ist aber auch, dass wir bodenständig geblieben sind und so eine regionale Verbundenheit geschaffen haben. Ich glaube sagen zu können: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich bei uns wohl. So schaffen wir es, eine hohe Loyalität zum Unternehmen zu erzeugen.

Lassen Sie uns noch kurz etwas weiter ausholen und die Lage der Industrie beschreiben. Immer häufiger ist von einer beginnenden De-Industrialisierung die Rede. Ist diese Sorge berechtigt?

Holschumacher: Dass sich das gesamtgesellschaftliche Bild der Industrie stark zum Negativen verändert hat, beobachte ich schon seit geraumer Zeit. Ich halte es für wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir unseren Wohlstand sichern müssen. Und die Basis dafür legt die Industrie. Sie ist unser Jobmotor.

Was fehlt Ihrer Meinung nach in der aktuellen Debatte über die deutsche Industrie?

Holschumacher: Ich vermisse eine objektive Betrachtung. Generell fehlt es in der öffentlichen Diskussion an Wertschätzung für die Industrie. Deutschland ist auf sie angewiesen. Und Deutschland braucht die Kautschukindustrie.

Alles für den Nachwuchs: Die Produkte des Unternehmens, vor allem bekannt unter dem Markennamen Nuk, erreichen Familien in mehr als 120 Ländern weltweit. Foto: KAUTSCHUK/Christian Eckhoff

Alles für den Nachwuchs: Die Produkte des Unternehmens, vor allem bekannt unter dem Markennamen Nuk, erreichen Familien in mehr als 120 Ländern weltweit. Foto: KAUTSCHUK/Christian Eckhoff

Mapa – die Fakten

Mapa verarbeitet Kautschuk und Kunststoffe zu Baby- und Medizinprodukten und vertreibt Haushaltsartikel sowie Arbeitsschutzhandschuhe. Die Firma wurde 1947 gegründet und gehört seit 2016 zum US-Konzern Newell Brands. Mit seinem Hauptsitz in Atlanta beschäftigt Newell weltweit rund 24.600 Mitarbeitende. Insgesamt vertreibt der Konzern Produkte von über 60 verschiedenen Marken. Eine der bekanntesten ist Nuk.

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