Mitarbeiterporträts

Auf Herz und Nieren geprüft

Als Leiter des Versuchstechnikums bei der Woco Gruppe ist Marco Schmidt dafür verantwortlich, neue Mischungen serienreif zu machen

von Isabel Link

· Lesezeit 4 Minuten.
Macher-Typ: Marco Schmidt ist Leiter des Versuchstechnikums bei Woco. An seiner Arbeit schätzt er besonders, dass man am Ende des Tages Ergebnisse in den Händen hält. Foto: KAUTSCHUK/Gerd Scheffler

Bad Soden-Salmünster. Dass Marco Schmidt ein Macher-Typ ist, sieht man ihm an. Sein Händedruck ist fest, sein Lächeln offen und freundlich. Zum Interview steht er am liebsten – wie auch die meiste Zeit während seines Arbeitstages. „Stundenlang am Schreibtisch zu sitzen, ist nichts für mich“, sagt er. Schmidt ist Leiter des Versuchstechnikums beim Automobilzulieferer Woco im hessischen Bad Soden-Salmünster. Sein Refugium ist das hochmoderne Technikum. „Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass man am Ende des Tages sieht, was man geschafft hat.“

Der 44-Jährige ist gebürtiger Berliner und lebt seit fast drei Jahrzehnten in Hessen. Nach seiner Ausbildung bei der Firma Veritas in Gelnhausen kam er vor 21 Jahren zu Woco und startete direkt im Labor. Seitdem haben sich seine Aufgaben nicht nur vervielfältigt, sondern zum Teil auch stark gewandelt: Anfangs beschäftigte er sich hauptsächlich mit den chemischen Wirkstoffen in Haftmitteln, mit denen Gummi auf Metall geklebt wird. Heute verbringt er mehr als die Hälfte seines Arbeitstags mit Projekten, bei denen es darum geht, den CO2-Fußabdruck von Elastomeren zu reduzieren. Dass es durch ausgiebige Entwicklungsstufen und Prüfungen Monate, manchmal sogar Jahre dauern kann, bis ein Projekt tatsächlich abgeschlossen ist, stört ihn nicht. Hauptsache, es gibt keinen Stillstand. 

Hochmodern in Ausstattung und Design: Das Technikum in Bad Soden-Salmünster. Foto: Dawin Meckel

Hochmodern in Ausstattung und Design: Das Technikum in Bad Soden-Salmünster. Foto: Dawin Meckel

Prototypen auf dem Weg zur Serie

Als Vorentwickler haben Schmidt und sein Team die Aufgabe, die von den Rezepturentwicklern ausgeklügelten Ideen auf ihre Serientauglichkeit zu prüfen. Die Einführung neuer Werkstoffe läuft bei Woco immer nach einem festen Schema ab. Zunächst erstellen die Rezepturentwickler auf Basis der Kundenanforderungen ein Konzept für eine neue Elastomermischung. Es folgen Vorversuche im Labor bis hin zur Fertigung erster Prototypen. „An diesem Punkt kommen mein Team und ich ins Spiel“, sagt Schmidt. Sie testen, ob sich der Prototyp in großen Stückzahlen herstellen lässt. Besonders hilfreich ist dabei das erst 2017 in Betrieb genommene Technikum. Hier stehen alte Produktionsmaschinen und neue, hochmoderne Geräte, mit denen das Team erste Versuche durchführen kann, wie sich das Material verhält, wenn es unter annähernd realen Produktionsbedingungen hergestellt und verarbeitet wird.

Nicht nur das Produkt zählt: Marco Schmidt (rechts) bespricht mit Materialentwickler Daniel Firle, wie sich der Ausschuss bei einer Neuentwicklung reduzieren lässt. Foto: KAUTSCHUK/Gerd Scheffler

Nicht nur das Produkt zählt: Marco Schmidt (rechts) bespricht mit Materialentwickler Daniel Firle, wie sich der Ausschuss bei einer Neuentwicklung reduzieren lässt. Foto: KAUTSCHUK/Gerd Scheffler

Das spart Woco und den Kunden nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit und Ärger. „Es erleichtert und beschleunigt die Einführung neuer Materialien in die Produktion, wenn im Vorfeld Versuche in einer Vorentwicklung stattfinden. In der Vergangenheit fanden Materialbemusterungen oftmals erst in den Produktionsstätten statt, was sehr zeit- und kostenintensiv war“, sagt Schmidt. Um klarzumachen, wie schwierig es ist, ein neues Material erfolgreich in die Serienfertigung zu bekommen, nutzt er ein anschauliches Beispiel: „Die ersten Schritte in der Produktentwicklung ähneln den Prozessen in der Produktion. Nur im Kleinen – wie ein Kinderladen im Vergleich zu einem echten Supermarkt.“

Kulturkompetenz als Erfolgsfaktor

Doch irgendwann kommt für jedes bis dahin erfolgreich getestete Produkt der Tag, an dem es sich unter realen Bedingungen bewähren muss. Vor einiger Zeit reiste Schmidt deshalb nach Mexiko. Im dortigen Woco-Werk wollte er prüfen, wie sich die im Labor gewonnenen Erkenntnisse in der Serienproduktion umsetzen lassen. Und um den Kolleginnen und Kollegen vor Ort mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Denn ob die Einführung einer neuen Mischung gelingt, hängt nicht nur von der Technik, sondern auch stark von menschlichen Faktoren ab. „Es ist sehr wichtig, dass die Kollegen verstehen, warum sie plötzlich mit neuen Materialien und Prozessen konfrontiert werden.“ 

Dass dahinter Innovationskraft steckt, die für die wirtschaftliche Stabilität und Weiterentwicklung des Unternehmens unerlässlich ist, ist nicht immer allen klar. „Gerade in den ausländischen Werken mit der dort üblichen hohen Fluktuation in der Belegschaft kommt es oft vor, dass ich wieder bei null anfangen muss“, erklärt der umtriebige Vorentwickler.

„Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass man am Ende des Tages sieht, was man geschafft hat“
Marco Schmidt, Leiter Versuchstechnikum bei Woco

Trotzdem liebt Schmidt diesen Teil seiner Arbeit am meisten. „Reisen ist für mich das Wichtigste, sowohl privat als auch beruflich.“ Besonders schätzt er, dass er auf seinen Dienstreisen andere Kulturen noch einmal ganz anders kennenlernt, als wenn er als Tourist das Land bereist. „Die Erfahrungen, die ich auf meinen Reisen sammle, führen mir immer wieder vor Augen, wie gut es uns in Deutschland eigentlich geht“, sagt er.

In Mexiko sei es normal, dass die Menschen nur zehn bis zwölf Tage Urlaub im Jahr hätten. Hierzulande dagegen stünden einem mindestens 20 Tage Urlaub zu, bei Woco sogar 30 Tage. „In Deutschland wird so viel gemeckert, dabei haben wir so viele Privilegien. Wir müssen nur ab und zu daran erinnert werden.“ 

Global aufgestellt: Woco fertigt weltweit vor allem für die Autoindustrie. Foto: Dawin Meckel

Global aufgestellt: Woco fertigt weltweit vor allem für die Autoindustrie. Foto: Dawin Meckel

Woco – die Fakten

Die Woco Gruppe aus Bad Soden-Salmünster ist ein mittelständisches Familienunternehm-en und globaler Hersteller von Produkt- und Systemlösungen für Dämpfung, Dichtung und Fluidsteuerung, insbesondere für batterieelektrische Fahrzeuge. Hauptabnehmer ist die Automobilindustrie, die Lösungen kommen aber auch in zahlreichen anderen industriellen Anwendungen wie der Bahntechnik, der Rohrleitungstechnik sowie der Mess- und Regeltechnik zum Einsatz.

  • PDF