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Aufschläge gegen Dumping

Europa schützt sich mit Strafzöllen vor chinesischen Auto-Exporten. Ist das eine gute Idee?

von Michael Aust

· Lesezeit 3 Minuten.
E-Flotte unterwegs: Die „BYD Explorer No. 1“ beförderte im Februar über 3.000 E-Autos von Shenzen nach Bremerhaven. Foto: IMAGO Images/Xinhua

Bremerhaven. Einen Vorgeschmack auf das, was kommen könnte, gab es im Februar: Da legte die „BYD Explorer No. 1“ in Bremerhaven an. Der Frachter ist das erste von acht Schiffen, die der chinesische Autobauer BYD eigens für den Transport seiner Fahrzeuge nach Europa chartern will. Die ersten 3.000 BYD-Autos rollten im Februar aus dem Bauch der „Explorer“ an Land. Und Deutschland fragte sich: Was wird aus unserer Autoindustrie, wenn China bald jeden Monat mehrere solcher Schiffe schickt?

Diese Frage stellte sich auch die EU-Kommission – und hat vor Kurzem reagiert. Nachdem im Mai schon die USA ihre Importzölle für chinesische Elektroautos auf 100 Prozent angehoben haben, drehte Mitte Juni auch Brüssel an der Zoll-Schraube: Kostete die Einfuhr von E-Autos aus China bislang 10 Prozent Zollsteuer, sind seit dem 5. Juli je nach Hersteller darauf 17,4 bis 37,6 Prozentpunkte zusätzlich zum bereits geltenden Einfuhrzoll fällig. Theoretisch zumindest: Die Ausgleichszölle gelten für maximal vier Monate, offiziell eingeführt werden sie aber erst im November, bis dahin läuft eine Übergangsfrist, in der die Unternehmen die Zölle noch nicht zahlen, aber garantieren müssen.

Autobauer haben vor zöllen gewarnt

Das Problem für Europa – und der Grund für die Strafzölle – ist dabei nicht der Wettbewerb an sich. Sondern die Mittel, derer sich China offenbar bedient. „Wir wissen durch viele Studien, dass der chinesische Staat seine Autoindustrie auf verschiedene Arten subventioniert“, sagt Jürgen Matthes, Experte für internationale Wirtschaftspolitik am Institut der deutschen Wirtschaft. Die Förderung reiche vom Zugang zu billigen Staatskrediten oder Firmengrundstücken bis hin zu Steuervorteilen. Die Folge ist, dass Chinas Hersteller deutlich günstiger produzieren können als europäische. „Das ist kein faires Spiel“, sagt Matthes.

Bemerkenswert: Gerade die Leidtragenden der chinesischen Subventionspolitik – die deutschen Autohersteller – hatten bis zuletzt vor Strafzöllen gewarnt. Zum einen, weil sie selbst in China produzieren und von Einfuhrzöllen ebenso betroffen sind. Zum anderen, weil sie Gegenmaßnahmen Chinas befürchten, etwa bei der Verfügbarkeit von Batterie-Rohstoffen.

Wirtschaftsforscher halten Zölle grundsätzlich für ein legitimes Mittel gegen unfairen Wettbewerb. „Die Welthandelsorganisation WTO hat klare Regeln dafür definiert, wann Zölle legitim sind“, erklärt IW-Experte Matthes. Demnach können Staaten versuchen, auch über Firmenauskünfte das Ausmaß der wettbewerbsverzerrenden staatlichen Subventionierung zu eruieren. Wenn sich hinreichende Belege für ein unfaire Handelspolitik finden, seien Schutzzölle „kein Protektionismus, sondern eine legitime Reaktion“, so Matthes.

Auch Professor Gabriel Felbermayr sieht Strafzölle als Mittel der Wahl. „Allerdings sollten wir uns fragen, ob wir wirklich Elektroautos mit Zöllen belegen sollten“, sagt der Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Besser sollte Europa darauf dringen, dass China seine Subventionen zurückschraubt. „Und, falls das nicht passiert, etwa mit einer Abkopplung im Bereich spezialisierter Technologie drohen.“ Europa brauche schließlich den chinesischen Wettbewerb, um die E-Mobilität preiswert zu machen.

Die Produktion wird sich verlagern

Dass die Zölle den Umstieg aufs E-Auto erst mal verteuern könnten, davor warnt das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW): Nach dessen Analyse dürften die Einfuhren von E-Autos aus China zunächst um 25 Prozent sinken – was spürbar höhere Preise für hiesige Endverbraucher bedeuten könnte. „Das wird auch die Klimatransformation verteuern“, sagt IfW-Präsident Moritz Schularick.

Eine anderer – für Europa positiver – Trend dagegen dürfte sich noch beschleunigen. „Unternehmen stellen sich immer mehr darauf ein, im jeweiligen Markt selbst zu produzieren“, sagt der Ökonom Felbermayr. Wenn die Produktionsnetzwerke irgendwann hinreichend regionalisiert sind, wirken Zollschranken nicht mehr. „Auf diesem Weg ist China, zuletzt wurde etwa in Ungarn viel investiert.“ Die jetzt eingeführten Zölle werden diese Entwicklung noch befördern. Felbermayr: „Das ist gut für die EU, denn wir haben die Wertschöpfung natürlich viel lieber bei uns als in China.“

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