Standort Deutschland
Betrieblicher Ersthelfer werden
Ersthelfer sind gefragt. Doch nicht jeder traut sich: Was darf man tun, was nicht? Wie ist man rechtlich abgesichert? Eine Expertin klärt wichtige Fragen – und macht Mut
von Elke Bieber
· Lesezeit 4 Minuten.

Den Vorgaben zum Arbeitsschutz entsprechend organisieren Arbeitgeber die Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen im Betrieb. Betriebliche Ersthelfer sind ein wichtiger Teil dieser Organisation. Wie viele Ersthelfer im Betrieb notwendig sind, ist rechtlich geregelt. So muss ihre Zahl in Produktionsbetrieben üblicherweise mindestens 10 Prozent der anwesenden Versicherten betragen.
- Am Anfang steht der Kurs: Die Grundausbildung zum betrieblichen Ersthelfer ist ein Kurs mit neun Unterrichtseinheiten. Danach herhält man eine Teilnahmebescheinigung und am besten auch eine Ernennungsurkunde vom Betrieb. Idealerweise werden sie dann im Betrieb beziehungsweise Arbeitsbereich als Ersthelfende vorgestellt. Auch die sonstigen Beteiligten der Notfall-Organisation, etwa Werkärztin oder Empfang, sollten Bescheid wissen.
- Das muss ein betrieblicher Ersthelfer tun: Die Kernaufgaben sind, den Unfallort abzusichern und erste Maßnahmen am Unfallort zu ergreifen. Die Hilfe besteht aus den im Kurs erlernten Maßnahmen – nicht mehr! Dazu zählen die Versorgung von Schnittwunden oder die Herzdruckmassage. Auch die Rettungskette per Notruf zu starten, gehört zu den Aufgaben betrieblicher Ersthilfe. Schließlich übergeben die Ersthelfenden die verletzte Person an die Profis, etwa den Werk-, Durchgangsarzt oder den Rettungsdienst. Mit der Dokumentation im Meldeblock endet der Einsatz in aller Regel. Der Arbeitgeber kann den Ersthelfern weitere Aufgaben übertragen, etwa den Check des Erste-Hilfe-Materials.
- Wissen über Erste Hilfe nutzt in vielen Lebenslagen: Alle zwei Jahre frischen Ersthelfer ihr Wissen auf. Diese Fortbildungskurse können branchen- oder unternehmensspezifische Situationen berücksichtigen, etwa typische Sturz- oder Maschinenunfälle. Zwischendurch bieten Apps die Möglichkeit, sich interaktiv in puncto Ersthilfe fit zu halten. „Diese Kompetenz ist eine gute Motivation“, sagt Isabella Marx von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Die Leiterin des DGUV-Fachbereichs Erste Hilfe ergänzt: „Das Know-how hilft nicht nur im beruflichen Umfeld. Auch im privaten Bereich oder im öffentlichen Raum geht man mit entsprechenden Situationen souveräner um.“ Einige Unternehmen honorieren das Engagement mit Benefits.
- Ersthelfer stehen nicht allein da: „Laut DGUV-Vorschrift haben Arbeitnehmer eine Unterstützungspflicht“, so Marx. Das bedeutet: Im Notfall kann der Ersthelfer alle Kollegen, der gerade verfügbar sind, stets um Hilfe bitten – diese sind verpflichtet, ihm oder ihr zur Seite zu stehen. Je nach Unternehmensgröße und Notfallorganisation stehen Ersthelfende über interne Apps in Kontakt und können schnell gemeinsam reagieren. „Das ist beispielsweise bei der Wiederbelebung wichtig“, sagt Expertin Marx. „Zwei sind sofort bei der betroffenen Person, der dritte Ersthelfende holt dann den Defibrillator – in dieser Reihenfolge.“
- Das muss ein betrieblicher Ersthelfer nicht tun: Marx betont: „Von Ersthelferinnen und Ersthelfern wird nicht mehr verlangt, als sie im Kurs gelernt haben.“ Ihre Zuständigkeit für die hilfsbedürftige Person endet, sobald die Rettungssanitäter oder medizinisches Fachpersonal da sind. Zudem wird nicht erwartet, dass Ersthelfer ihr eigenes Leben riskieren. Sich selbst beim Einsatz zu schützen, ist Teil der Ersthelferausbildung.
- Ein paar Dinge überlassen Ersthelfer besser den Profis: Zu den Don’ts der Ersten Hilfe gehört das Verabreichen von Medikamenten. Das gilt sogar für rezeptfreie Arzneien wie Kopfschmerztabletten. Auch medizinische Maßnahmen wie das Entfernen von Fremdkörpern aus Wunden sind nicht Sache der Ersthelfenden. Bei vorhersehbaren Notfällen, etwa einem Asthmaanfall oder einer diabetesbedingten Über-/Unterzuckerung muss zur Unterstützung für eine Medikamentengabe das vorherige Einverständnis der Betroffenen vorliegen. Selbst dann heißt es: Nur das gewünschte Anreichen des Medikaments ist okay, nicht das Einflößen.
- Ersthelfende sind rechtlich abgesichert: Für Fehler, die im Einsatz passieren, werden die Ersthelfenden nicht belangt. „Grundsätzlich brauchen Ersthelferinnen und Ersthelfer nach geleisteter Hilfe nicht mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen, wenn sie die ihnen bestmögliche Hilfe geleistet haben, wie sie es in der Ersten-Hilfe-Ausbildung gelernt haben“, betont Expertin Marx. „Falsch wäre nur, nichts zu tun. Denn zum Helfen ist man nach Paragraf 323c des Strafgesetzbuches verpflichtet.“ Das gelte übrigens für alle Menschen. Für Sachschäden wie zerschnittene Kleidung oder für eine ungewollte Körperverletzung (etwa ein Rippenbruch bei der Herzdruckmassage) haften Ersthelfende nicht. Erleidet die helfende Person selbst einen Schaden, kommt dafür die gesetzliche Unfallversicherung auf, Sachschäden kann sie beim Arbeitgeber geltend machen.
- Erste Hilfe hat auch langfristig positive Folgen: Arbeitsschutz und die veränderte Arbeitswelt mindern die Zahl von Arbeitsunfällen seit Jahrzehnten, wie die Expertin erklärt. Geschieht dennoch ein Vorfall, sind Ersthelfende das erste Glied in der Rettungskette. Im Vergleich zu den weiteren Schritten ist ihr Einsatz zwar kurz, aber in vielen Fällen entscheidend. Marx betont: Erhalten Verunglückte sofort Hilfe, wirkt sich das positiv auf ihre Genesung und die Rückkehr in den Job aus.
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