Kautschuk-Konjunktur

Kautschuk in Sorge

Die Kautschukindustrie steht unter Druck: Trotz Umsatzplus kämpfen Betriebe mit steigenden Kosten. Nicht wenige Firmen erwägen, Arbeitsplätze abzubauen oder die Produktion ins Ausland zu verlagern

von Roman Winnicki

· Lesezeit 3 Minuten.
Kautschuk-Konjunktur: 2023 war ein herausforderndes Jahr für unsere Branche. Foto: stockbusters - stock.adobe.com

Die Gummibranche hatte im letzten Jahr einen schweren Stand: Hohe Betriebskosten, rückläufige Absatzmengen und Produktionsauslastungen belasteten unsere Betriebe. Kaum verwunderlich nach den Corona-Lockdowns, weltweiten Lieferengpässen und der Kostenexplosion bei Energie und Rohstoffen. Immerhin: Die Absätze dürften 2024 stabil bleiben.

Umsatzplus mit Schönheitsfehlern

„Die Ertragslage vieler Unternehmen ist zum Zerreißen angespannt.“ So beschreibt der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (wdk) die Lage der Branche 2023/2024. Das Umsatzplus von 10 Prozent täuscht über die tatsächliche Entwicklung unserer Industrie hinweg. Denn die Kostensteigerungen bei Energie und Rohstoffen der letzten Jahre konnten durch den Umsatzanstieg nicht ausgeglichen werden. Auch der Kautschukverbrauch zeigt, dass es nicht gut läuft. Er ging 2023 in Deutschland um rund 8 Prozent zurück. Besonders die schwächelnde Automobilwirtschaft hierzulande, auf die etwa 35 Prozent des Branchenumsatzes entfallen, sorgte für starke Rückgänge bei der Reifenherstellung und damit Kautschuk­nachfrage.

Produktion auf Sparflamme

Dichten, dämpfen, verbinden, schützen: Kautschukprodukte erfüllen vielfältige, systemrelevante Aufgaben. Trotz ihrer Bedeutung sank die Kapazitätsauslastung in der Gummiwaren-Produk­tion in Deutschland im Jahr 2023 erneut gegenüber dem Vorjahr. Dieser Trend ist nicht allein auf die rückläufige Nachfrage zurückzuführen, sondern wird auch durch hohe Energie- und Personalkosten, umfangreiche Bürokratie und strenge Regulierungen in Deutschland verstärkt. Vor diesem Hintergrund sehen sich unsere Unternehmen gezwungen, die Produktion zu drosseln, die Kapazitätsauslastung nimmt seit Jahren ab.

Fachkräftemangel trotz Stellenstreichungen

Die Kautschukfirmen kämpfen mit einem paradoxen Arbeitsmarktdilemma: Sie suchen händeringend Fachkräfte, obwohl der Beschäftigtenstand schrumpft. Selbst in wirtschaftlich schlechten Zeiten finden die Betriebe kaum passend qualifiziertes Personal. Besonders gefragt sind digital- und technikaffine Kräfte sowie wissenschaftlicher Nachwuchs. Zugleich kommt es zu einem Stellenabbau, nicht nur aufgrund rückläufiger Produktion und hoher Personalkosten, sondern auch wegen der herausfordernden Standortbedingungen in Deutschland. Der Stellenabbau, besonders markant in den Reifenwerken, scheint unaufhaltsam: Der wdk erwartet, dass in den nächsten zwei Jahren bis zu 3.300 weitere Jobs verloren gehen.

Exporte – ein Anker für die Branche

Gummiprodukte „made in Germany“ genießen weltweit einen sehr guten Ruf. Traditionell gehören Franzosen, Polen und Italiener zu den internationalen Abnehmern, während die USA und das Vereinigte Königreich die wichtigsten Handelspartner außerhalb der EU sind. Der internationale Handel ist für die Branche unverzichtbar, zumal die Nachfrage in Deutschland nachlässt. 2023 stieg die Exportquote, also der Anteil der Ausfuhren, auf knapp 40 Prozent. Die tatsächlichen Exportmengen sind jedoch im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Dieser Rückgang ist laut dem wdk auf die instabile globale Wirtschaftslage und geopolitische Spannungen zurückzuführen. Die Exportquote ist allerdings ein Knackpunkt: Sie steigt, da besonders Autobauer ihre Produktion zunehmend ins Ausland verlagern. Auch deshalb werden hierzulande weniger Kautschukwaren geliefert. 

Kautschuk-Zukunft: Der Blick geht ins Ausland

April 2024: In einer aktuellen Umfrage des wdk signalisieren Kautschukbetriebe optimistische Aussichten für das zweite Quartal dieses Jahres. Die Branchenanalyse deutet auf eine leichte Belebung des Auslandsgeschäfts hin, während das Inlandsgeschäft noch nicht so richtig in Schwung kommt. Unter dem Strich erwarten die Firmen bei den Absätzen eine schwarze Null. Die Umfrage zeigt aber auch, dass der Standort Deutschland nicht wettbewerbsfähig genug ist, sodass 16 Prozent der Unternehmen über eine Verlagerung der Produktion ins Ausland nachdenken. Bedenklich ist auch, dass fast jeder dritte Betrieb von einer angespannten oder sogar existenzbedrohenden Lage berichtet.

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