Kautschuk-Konjunktur
Krisenstimmung im Gummigewerbe
Die deutsche Kautschukindustrie kämpft mit Gegenwind: Schwache Konjunktur, steigende Kosten und geopolitische Spannungen zwingen viele Gummifirmen in den Notbetrieb
von Roman Winnicki
Frankfurt. Anfang dieses Jahres herrschte in der deutschen Kautschukindustrie noch Optimismus. Die Zuversicht, dass der Branchenmotor nach der wirtschaftlichen Durststrecke des Vorjahres wieder anspringen könnte, war groß. Doch die Realität hat die Betriebe eingeholt: Eine konjunkturelle Erholung zeichnet sich allenfalls für Ende 2024 ab – so das Ergebnis einer Anfang Juli durchgeführten Mitgliederbefragung des Wirtschaftsverbands der deutschen Kautschukindustrie (wdk).
Das zwingt die Unternehmen in den Überlebensmodus: „Striktes Kostenmanagement und Investitionszurückhaltung sind angesichts anhaltender Auftragsflaute, unübersichtlicher Bürokratieanforderungen und unvermeidbarer Transformationsaufgaben unumgänglich“, sagt wdk-Chefvolkswirt Michael Berthel.
Im zweiten Quartal 2024 gab es keine Besserung im Vergleich zum Vorjahr. Umsatz, Absatz und Produktion liegen nach dem ersten Halbjahr 2024 fast 5 Prozent niedriger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die Stimmung in der Branche ist nach wie vor gedrückt. Nur ein Drittel der Unternehmen verzeichnet steigende Absätze, ein weiteres Drittel sieht keine Veränderung, und das letzte Drittel rechnet mit weiteren Rückgängen. Die Nachfrage nach industriellen Gummiprodukten bleibt sowohl inländisch schwach als auch international verhalten.
Teure Rohstoffe und Frachtraten
Zudem ächzt die Gummibranche unter massiven Kostensteigerungen. Seit Jahresbeginn sind die Frachtraten auf 5.000 Euro pro Container aus Asien explodiert. Laut wdk ist das eine Vervierfachung! Auch die Kautschukrohstoffe sind 40 Prozent teurer als in den Jahren vor der Coronakrise. Die Lage ist angespannt. Fast jedes achte Unternehmen denkt darüber nach, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Für Arbeitnehmer bedeutet das eine unsichere Zukunft. Etwa 5 Prozent der Firmen erwägen sogar, die Produktion einzustellen.
Trotz dieser schwierigen Umstände zeigt sich die Branche erstaunlich widerstandsfähig gegenüber den andauernden geopolitischen Spannungen, die laut Berthel noch einige Jahre anhalten werden. Das verdanke die Branche vor allem den mittelständischen Kautschukverarbeitern, die als „Hidden Champions“ mit cleveren Innovationen und top ausgebildeten Fachkräften Nischenmärkte bedienen. Der wdk-Ökonom betont aber auch, dass die Politik gefordert ist. In den Bereichen Unternehmensfinanzierung, Steuern, Energiekosten und -versorgung, Infrastruktur und Freihandel sollte die Regierung Impulse setzen, damit die Wirtschaft wieder Vertrauen fasst und mehr investiert. Andernfalls drohe eine Abwärtsspirale mit zahlreichen Firmenpleiten in der Gummiindustrie.
Aber auch die Kautschukunternehmen selbst sind gefordert. Sie müssen ihr Angebot an innovativen Produkten erweitern und erneuern, um im harten globalen Wettbewerb, insbesondere mit asiatischen Anbietern, mithalten zu können. Vor allem der Fahrzeugbau mit jährlich rund vier Millionen in Deutschland produzierten Pkws, inklusive Tesla, bietet neue Wachstumschancen. Denn eines ist klar: Auch die Mobilität der Zukunft kommt nicht ohne Reifen, Dichtungen und Co. aus.