Chefgespräche

Die Last der Pflichten

Kleine Belegschaft, aber große Auflagen: Wie der Mischungs-Spezialist Condor Compounds die EU-Nachhaltigkeitsrichtlinien stemmt

von Isabel Link

· Lesezeit 5 Minuten.
Im Dickicht der Vorschriften: „Wir spüren den gleichen Druck wie große Unternehmen“, sagt Axel Friedrichs, Geschäftsführer von Condor Compounds.

Braunschweig. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Hinweisgeberschutzgesetz, „Green Deal“: Für jede dieser Regelungen haben EU und Bundesregierung Untergrenzen festgelegt, um kleine und mittlere Unternehmen vor überbordender Bürokratie zu schützen. Zumindest in der Theorie. In der Praxis jedoch müssen auch Betriebe mit wenigen Mitarbeitenden die Richtlinien einhalten, um nicht aus dem Markt verdrängt zu werden. Das kostet Zeit, Geld und bindet wichtige Ressourcen. Axel Friedrichs ist seit fast 30 Jahren Geschäftsführer des Braunschweiger Unternehmens Condor Compounds, einem der zahlreichen Hidden Champions in Deutschland. Im Chefgespräch erzählt er, welche Folgen die Regelungswut in Berlin und Brüssel für seinen Betrieb hat.

Herr Friedrichs, Ihre Firma will spätestens ab 2026 die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erfüllen. Die sogenannte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gilt für Betriebe mit mehr als 250 Angestellten, sie beschäftigen aber nur 85 Mitarbeitende. Weshalb nehmen Sie das auf sich?

Friedrichs: Neben der Mitarbeiteranzahl gibt es noch zwei weitere Kriterien, die ausschlaggebend dafür sind, ob ein Unternehmen unter die Berichtspflicht der CSRD fällt oder nicht. Etwa, wenn der jährliche Umsatz 40 Millionen Euro übersteigt oder wenn die jährliche Bilanzsumme höher als 20 Millionen Euro liegt. Beides trifft auf die Condor Compounds zu – und damit zählen wir in den Augen der EU zu den großen mittelständischen Unternehmen.

Was verlangt die CSRD-Richtlinie ab 2026 konkret von Ihrem Unternehmen?

Friedrichs: Unser Umweltmanagement ist seit Kurzem nach der DIN EN ISO 14001 zertifiziert – eine internationale Norm, die Unternehmen bei der Reduzierung ihrer Umweltauswirkungen unterstützt. Viele Vertragspartner und Kunden setzen dieses Zertifikat mittlerweile voraus. Die CSRD geht deutlich über dieses Zertifikat hinaus. Dafür müssen wir jährlich einen Bericht erstellen, der zum einen die Auswirkungen unseres Betriebs auf Menschen und Umwelt möglichst genau beschreibt, und zum anderen klare Ziele enthält, wie wir unsere Umweltbilanz schrittweise verbessern können. Dieser Bericht muss anschließend von einem Wirtschaftsprüfer testiert werden.

Das klingt nach zusätzlichem Bürokratie-Aufwand ...

Friedrichs: In der Tat, der Prozess als solcher und die Dokumentation werden uns viel Zeit kosten. Denn die Wirtschaftsprüfer müssen deutlich stärker ins Detail gehen als beim DIN-Zertifikat. Wir planen die Anschaffung einer speziellen Software, um die für den Bericht benötigten Daten kontinuierlich zu sammeln. Grundsätzlich werden wir auch gezwungen sein, die Stelle Nachhaltigkeitsmanager/in zu schaffen. Da der Aufwand schon aktuell nicht zu stemmen ist, behelfen wir uns bereits mit externer Beratung. Dadurch entstehen wieder Kosten, die nicht zur Wertschöpfung beitragen.

Sascha Ebers stellt bei Condor Kunststoff- und Kautschukmischungen für die Kabelindustrie her. Foto: Christian Wyrwa

Sascha Ebers stellt bei Condor Kunststoff- und Kautschukmischungen für die Kabelindustrie her. Foto: Christian Wyrwa

Das Lieferkettengesetz ist eine weitere belastende Richtlinie. Condor Compounds ist zwar nicht direkt davon betroffen, hält sich aber dennoch daran. Warum?

Friedrichs: Nicht nur der Gesetzgeber hat in puncto Nachhaltigkeit Anforderungen an uns, auch unsere Kunden müssen ihrerseits den Druck an uns weitergeben. Wir sind in jedem Fall kooperativ und müssen unsere Vorlieferanten ebenfalls mit ins Boot holen. Eine Verweigerungshaltung würde unweigerlich zu Umsatzverlusten führen. Deshalb spüren wir exakt denselben Druck, den auch ein Unternehmen hat, das einen Bericht vorlegen muss.

Bei der CSRD-Richtlinie müssen Sie nicht nur die Herkunft von Rohstoffen und Umweltauswirkungen Ihrer Produkte kennen, sondern auch Ziele zur jährlichen Verbesserung der Umweltbilanz festlegen. Warum bereitet Ihnen diese Anforderung Sorgen?

Friedrichs: Ich würde eher von einer Herausforderung als von Sorgen sprechen. Es handelt sich bei den Zielen um jährliche Verbesserungsmaßnahmen, und dabei sind auch kleine Schritte Fortschritte. Die Problematik ist eher, dass wir ein energieintensiver Betrieb sind: Wir schmelzen Kunststoffe auf, was einen hohen Energieaufwand erfordert. In den letzten Jahren haben wir zwar viele Initiativen ergriffen, um unsere Energiebilanz zu verbessern, zum Beispiel durch Wärmerückgewinnung bei Kompressoren, den Kauf von Elektroautos und die Installation von Photovoltaikanlagen auf Teilen unserer Produktionshallen. Auf unseren Gesamtenergieverbrauch haben all diese Maßnahmen jedoch nur einen begrenzten Einfluss. Dafür ist unser Energiebedarf einfach zu hoch.

Gibt es darüber hinaus noch andere Möglichkeiten, mit denen Sie Ihren Energieverbrauch senken könnten?

Friedrichs: Ja, die gibt es, aber sie sind mit hohen Investitionssummen verbunden. In unserer Produktion stehen zum Beispiel Anlagen, die das Kunststoffgemisch für einen gewissen Zeitraum kneten. Dieser Prozess verursacht Lastspitzen und treibt den Stromverbrauch und die Kosten erheblich nach oben. Wir prüfen momentan zum Beispiel die Anschaffung riesiger Batteriesysteme, die diese Spitzen bei Bedarf glätten. Aber solche Systeme sind sehr teuer, und am Ende steht die Frage, ob sie sich überhaupt rentieren werden. Hier sind wir in jedem Fall gezwungen, zeitnah neue und innovative Lösungen zu finden.

Christian Zombik (links) bespricht mit Geschäftsführer Axel Friedrichs die Performance einer Maschine. Foto: Tim Schaarschmidt

Christian Zombik (links) bespricht mit Geschäftsführer Axel Friedrichs die Performance einer Maschine. Foto: Tim Schaarschmidt

Ein wichtiger Gesichtspunkt, schließlich konkurrieren Sie mit zahlreichen internationalen Wettbewerbern. In vielen Ländern sind die Energiekosten deutlich niedriger als in Deutschland.

Friedrichs: Das ist richtig. 90 Prozent unserer Produkte exportieren wir in die ganze Welt, und dort sitzen auch unsere Wettbewerber. In einigen Produktgruppen sehen wir uns zwar als Marktführer, unterliegen dennoch einem erheblichen Preisdruck. Außerdem beeinflusst dieser Druck unsere Investitionsentscheidungen. Wir erweitern regelmäßig, etwa alle zwei bis drei Jahre, unsere Produktionskapazitäten mit neuen Anlagen. Wir sind klein und mit unseren 85 Kolleginnen und Kollegen regional fest verwurzelt. Wir haben bislang darauf verzichtet, neben Braunschweig einen weiteren Fertigungsstandort im Ausland in Betracht zu ziehen. Sollten jedoch die Produktionskosten in Deutschland weiter steigen und die Akzeptanz für energieintensive Prozesse hierzulande abnehmen, könnten wir uns gezwungen sehen, über diese Frage ernsthafter nachzudenken.

Condor vertreibt seine Mischungen als Granulat. Später werden daraus Ummantelungen etwa für Sicherheitskabel gefertigt. Foto: Christian Wyrwa

Condor vertreibt seine Mischungen als Granulat. Später werden daraus Ummantelungen etwa für Sicherheitskabel gefertigt. Foto: Christian Wyrwa

Condor Compounds – die Fakten

Condor Compounds gehört zu den führenden Produzenten von Kunststoff- und Gummimischungen für die europäische Kabelindustrie und beliefert Kunden weltweit. Das Unternehmen wurde 1982 ins Leben gerufen und beschäftigt am Firmensitz in Braunschweig rund 85 Mitarbeitende, die etwa 500 verschiedene Mischungen herstellen. Darunter befinden sich spezielle Kunststoffmischungen für die Ummantelung von Sicherheitskabeln, für die besonders hohe Anforderungen gelten, sowie Spezialmischungen für Kabelanwendungen in der Automobilbranche. Axel Friedrichs ist seit 1996 Geschäftsführer von Condor Compounds.

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