Debatte
Ein Rezept gegen Fehler
Wie kann man auch bei Routinearbeiten die Konzentration hochhalten – damit keine teuren Patzer passieren? Ein Fluglotsen-Ausbilder gibt praktische Tipps
von Anja van Marwick-Ebner
Langen. Fehler machen, das ist erst mal menschlich. Ob privat oder im Job: Shit happens – auch wenn man sich noch so bemüht, das zu vermeiden! Die Maschine um eine Winzigkeit falsch eingestellt, bei der E-Mail-Adresse vertippt, den neuen Prozess falsch verstanden … schon ist der Schlamassel passiert.
Was also kann man tun, damit bei der Arbeit möglichst wenig Fehler passieren? Das erklärt jemand, der es wissen muss: ein Fluglotsen-Ausbilder.
Lehren aus dem Kontrollturm
Rund 2.200 Fluglotsen kümmern sich täglich um bis zu 9.000 Flüge über Deutschland: Sie kontrollieren Starts und Landungen im Tower oder begleiten als Radar- und Koordinationslotsen Flüge durch den Luftraum. „In unserem Beruf können wir uns keine Fehler erlauben. Diese zu vermeiden, hat also schon ab dem ersten Tag der Ausbildung höchste Priorität.“ So sagt es Bernd Schlebusch, Leiter der Abteilung Aus- und Weiterbildung Flugsicherungsbetriebsdienste bei der DFS Deutsche Flugsicherung im hessischen Langen. Seine Tipps:
Auf guten Schlaf und gesunde Ernährung achten
Dieser einfache (und eigentlich selbstverständliche) Tipp mindert die Gefahr von Sekundenschlaf und sinkender Konzentration – besonders in der Frühschicht.
Pausen zur Erholung nutzen
Das heißt: Weg vom Arbeitsplatz, um sich neu zu orientieren – zum Beispiel mit einem kleinen Spaziergang oder auch mit etwas Sport. Manchen reicht auch ein Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen. Wichtig ist es, während der Pause tatsächlich mal abschalten zu können.
„Vier Augen sehen mehr als zwei“
Bernd Schlebusch – Ausbilder bei der DFS
Kritische Phasen identifizieren
Niemand ist immer 100-prozentig aufmerksam. „Das gilt besonders am Anfang und zum Ende einer Schicht und nach Belastungsphasen“, sagt DFS-Mann Schlebusch. Weiß man um dieses schleichende Defizit, kann man mit Konzentration gegenhalten.
Aufmerksamkeit hochhalten
Das funktioniert, wenn man sich die möglichen Folgen von Fehlern immer wieder vor Augen führt. „Wir spielen in Seminaren deshalb ungewöhnliche Vorfälle durch“, erklärt Schlebusch. Damit erreicht man eine Sensibilität, die sich gegen Monotonie und Routine bei der Arbeit einsetzen lässt.
Vier-Augen-Prinzip nutzen
Im Tower wie in der Radarkontrolle gilt für die Fluglotsen: „Vier Augen sehen mehr als zwei.“ Deshalb betreuen in der Flugverkehrskontrolle zwei Menschen einen Sektor. Das Prinzip kann auch in der Produktion helfen, konzentriert zu arbeiten, und gibt Sicherheit. Wichtig: Hinweise des zweiten Kollegen sollte man stets als positives Feedback sehen.
Übergaben gut organisieren
„Fehler entstehen auch durch fehlende Information“, sagt Schlebusch. Um so etwas zu vermeiden, reicht eine kurze, mündliche Übergabe: Was ist der derzeitige Stand? Worauf muss jetzt besonders geachtet werden? Gab es irgendwelche Besonderheiten in der Schicht? „Dazu gehören auch subjektive Einschätzungen.“ Lotsen bleiben dann sogar nach der Übergabe noch kurze Zeit vor Ort, um eventuelle Nachfragen beantworten zu können.
Alles auf den Tisch legen
Kritische Vorfälle sollten früh thematisiert werden – auf respektvolle und rationale Weise: „Wir reden offen über Fehler, niemand muss sich dafür schämen“, sagt Schlebusch. Das hilft, sogenannte Fehlerkaskaden zu vermeiden: Aus kleinen, verheimlichten Fehlern können sich sonst nämlich durchaus größere entwickeln – mit womöglich schwerwiegenderen Konsequenzen.