Unternehmensreportagen

Wie Schleifmittelhersteller Atlantic Chemiker und Ingenieure überzeugt

Bei Bewerbung sofortiger Rückruf: So gewinnt Geschäftsführer Marco Weber vom Schleifmittelhersteller Atlantic Fachkräftenachwuchs. Mit Kollegen spricht er Afrikanisch, Solisten bindet er ein, Entscheidungen trifft er im Team.

von Werner Fricke

· Lesezeit 3 Minuten.
Plaudern in afrikanischer Sprache: Assane Faye und Geschäftsführer Marco Weber. Bild: aktiv/Rainer Unkel

Assane Faye strahlt, die Augen leuchten. Sein lautes Lachen ist ansteckend. Faye kam vor 35 Jahren aus dem Senegal und arbeitet bereits 27 Jahre in der Produktion des Schleifmittelherstellers Atlantic im Rheinland. Geschäftsführer Marco Weber begrüßt ihn beim Gang durch den Betrieb mit einem „Hallo“ in seiner Heimatsprache (Foto rechts). Weber hat für solche Situationen einige Brocken der afrikanischen Sprache gelernt, die sich Wolof nennt.

Betriebsalltag bei Atlantic in Bonn: Der Umgangston ist locker, das Klima stimmt. „Teamgeist ist uns wichtig“, sagt Geschäftsführer Weber. „Die jungen Mitarbeiter etwa lernen von den älteren. Wir leben das.“ Wenige Meter weiter, in der Presserei, bereitet der junge Kollege Till Vomfell eine Mischung vor. Waldemar Kuschnik gibt ihm einen Tipp. „Ich bin 22 Jahre bei Atlantic“, sagt Kuschnik. „Da weiß man, worauf es ankommt.“ Während andere Firmen über Fachkräftemangel klagen, steuert Marco Weber bei Atlantic erfolgreich dagegen – auch durch seine Persönlichkeit.

Produkte in Auto- und Maschinenbau, Stahl- und Walzwerken gefragt

Im letzten Jahr feierte Atlantic seinen 100. Geburtstag. Der Hersteller von hochpräzisen Schleifwerkzeugen ist in einer Nische weltweit in einer Spitzenposition. Wenn Teile ihren letzten Schliff benötigen, kommen die Werkzeuge aus Bonn zum Einsatz – zum Beispiel bei Teilen für Dieselmotoren, Kugellager, Flugzeugturbinen oder Schiffsmotoren.

„Präzision wird immer wichtiger, und dafür braucht man uns“, sagt Marco Weber. Die Liste der Abnehmerbranchen ist lang; sie reicht von der Auto-Industrie und dem Maschinenbau bis hin zu Stahl- und Walzwerken. „Wir machen keine Schleifscheiben für den Baumarkt, sondern nur individuelle und maßgeschneiderte Lösungen für die Industrie. Wenn es nötig ist, reisen unsere Spezialisten schon mal um den Erdball, um den Kunden zu helfen.“

Der Geschäftsführer brennt für seinen Job

Marco Weber ist promovierter Chemiker. Der 57-Jährige steht seit 2005 an der Spitze der Firma mit 200 Beschäftigten. „Vorher war ich in verschiedenen Konzernen tätig. Das ist nicht meine Welt, ich wollte immer was anderes. Kleine Einheiten führen und schnell Entscheidungen treffen, das liegt mir.“

Und es ist seine Philosophie. Der Geschäftsführer brennt für den Job und kann den Funken schnell auf seine Umgebung überspringen lassen. Vor allem Hochschulabsolventen spüren das. „Wir können nicht mit großen Gehältern locken. Wir überzeugen mit den Inhalten, die wir bieten.“ Oft geht es sehr schnell, wenn sich junge Chemiker oder Ingenieure in seiner Personalabteilung bewerben. „Wir laden sie sofort zum Videointerview ein, oft noch am gleichen Tag.“

Den digitalen Wandel sieht der Firmenchef als Riesenchance

Nicht selten schaltet sich auch ein erfahrener Kollege dazu, wenn nötig aus dem Urlaubsort. „Wir zeigen so, dass wir es ernst meinen und den Bewerber unbedingt einstellen wollen.“ Dabei steht für den Geschäftsführer der Teamgedanke weit vorn. „Ich habe in meinem Berufsleben gelernt, dass einsame Entscheidungen selten die besten Entscheidungen sind.“

Viel hat Marco Weber zuletzt in die Produktentwicklung investiert. Den digitalen Wandel sieht er als Riesenchance. Die jungen Leute seien da eine enorme Hilfe fürs Unternehmen.

Auch die älteren Mitarbeiter vergisst Marco Weber nicht. „Wir haben hier viele erfahrene Spezialisten. Meine Aufgabe ist es, aus unseren Solisten ein gutes Team zu bilden.“ Das reicht von der Identifikation mit den Werten des Unternehmens bis zur Fürsorge. Als bei Atlantic in der Pandemie Kurzarbeit und einige Freistellungen nötig wurden, holte Weber die Kräfte im Aufschwung wieder zurück. „Das verstehen wir unter Teamarbeit.“

Die Schleifmittel-Industrie

Kleine Branche. Die deutsche Schleifmittel-Industrie macht mit 6.500 Beschäftigten rund 1 Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Bei Innovationen, Qualität und Umweltschutz hat sie eine Spitzenposition im europäischen und weltweiten Vergleich.

Exportquote. Je nach Produkt erreicht sie 30 bis 70 Prozent.

Große Bedeutung. Schleifwerkzeuge sind in vielen Branchen wie etwa Auto- und Maschinenbau unverzichtbar. In den Abnehmerindustrien hängen circa drei Millionen Beschäftigte und 570 Milliarden Euro Umsatz von Schleifmitteln ab.

Fachkräftemangel

Die Lücke in technischen Berufen ist wieder größer.

  • 145.100 MINT-Fachkräfte fehlten bundesweit im Frühjahr.
  • 72.000 Experten mit Hochschulabschluss waren gesucht.
  • 60.200 Jobs erforderten eine Facharbeiterqualifikation.

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