Qualifizierung und Weiterbildung

Der letzte Gong?

Akute Schließungsgefahr: Die Technikerschule Gelnhausen, das deutschlandweit führende Ausbildungszentrum für Kautschuk- und Kunststofftechniker, steht auf der Kippe

von Isabel Link

· Lesezeit 5 Minuten.
Eine Institution für Kautschuk- und Kunststofftechniker: Die Technikerschule Gelnhausen steht vor einem großen Problem – die Zahl der Absolventen geht kontinuierlich zurück. Foto: Technikerschule Gelnhausen

Gelnhausen. Exzellente Ausbildung in Gefahr: Die Technikerschule Gelnhausen gilt mit ihrer modernen Ausstattung als beste Adresse in Deutschland für die Kautschuk- und Kunststofftechniker von morgen. Doch weil sich immer weniger junge Menschen dafür interessieren, droht dem Angebot das Aus. Vier junge Absolventen berichten von den vielen Vorteilen der Ausbildung.

Konzentriert blicken Lukas Schönhalz und Simon Gabrat auf den Computerbildschirm. Für den Laien ist es nur eine bunte 3-D-Visualisierung eines Kunststoffbauteils. Doch den beiden angehenden Kunststoff- und Kautschuktechnikern verrät die Optik, wie der flüssige Kunststoff beim Spritzgießen die Form ausfüllt. Die vielen verschiedenen Farben zeigen, ob der Füllvorgang optimal verlaufen ist und welche Schwachstellen es noch in ihrer Konstruktion gibt. Die Software, mit der sich Spritzgussprozesse von Kunststoffprodukten hochpräzise am Computer nachbilden lassen, steht den Studierenden der Technikerschule Gelnhausen erst seit Kurzem zur Verfügung. Schönhalz und Gabrat sind begeistert. „Die Simulation zeigt uns, wie sich das Material unter verschiedenen Bedingungen verhält. So können wir schon in der Konstruktionsphase viele Fehler ausschließen, ohne überhaupt ein Teil spritzen zu müssen“, erklärt Schönhalz.

Simon Gabrat und Lukas Schönhalz (von links) sind begeistert von der technischen Ausstattung, die die Schule zu bieten hat. Foto: KAUTSCHUK/Gerd Scheffler

Simon Gabrat und Lukas Schönhalz (von links) sind begeistert von der technischen Ausstattung, die die Schule zu bieten hat. Foto: KAUTSCHUK/Gerd Scheffler

Moderne Ausstattung, Anlagen und Software auf Industriestandard und vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten: Das zeichnet die Technikerschule in Gelnhausen aus. Dank der engagierten Unterstützung vieler Unternehmen und Verbände wie dem ADK aus der Kunststoff- und Kautschukbranche bietet die Schule die bundesweit wohl hochwertigste Ausbildung zum Kunststoff- und Kautschuktechniker. Gleichwohl steht die Schule vor einem existenzbedrohenden Problem: Ihr gehen die Schüler aus. 14 Schüler braucht ein Jahrgang mindestens, damit die Schule vom Land Hessen eine Lehrerzuweisung erhält. Ansonsten muss die Schule, die zur Beruflichen Schule Gelnhausen gehört, mit Bordmitteln auskommen. Das ist aber nicht ohne Weiteres möglich, schon gar nicht ohne eine ausreichende Zahl von Fachlehrern. Fällt die Lehrerzuweisung weg, droht der Technikerschule das Aus.

Kein Alltag Ohne Gummi und Kunststoff

In den vergangenen Jahren ist es Schulleiter Rainer Flach und seinen Kollegen noch gelungen, genügend Schülerinnen und Schüler zusammenzubekommen. Doch es wird von Jahr zu Jahr schwieriger. „Die Gründe dafür sind vielfältig“, sagt Studiendirektor Arnold Flach. Zum einen nehme die Attraktivität gewerblich-technischer Berufe immer weiter ab. Davon sei auch der KuK-Bereich betroffen. Zum anderen aber auch habe das Image vor allem von Kunststoff in der jüngeren Generation im Zuge der Natur- und Umweltbewegungen Schaden genommen. „Viele junge Menschen denken bei Kunststoff zuerst an Plastikmüll im Meer. Dass unser Leben ohne Elastomere und Kunststoffe gar nicht mehr denkbar wäre, ist den meisten nicht klar“, sagt Flach. Beispiele dafür sind die Medizintechnik oder die Ernährungstechnik.

Wenn das Team der Technikerschule in ganz Deutschland unterwegs ist, um den Nachwuchs für die Studienplätze zu begeistern, stehen deshalb vor allem die Vielfalt und der Nutzen von Gummi- und Kunststoffprodukten im Vordergrund. „Es reicht nicht, auf einer Ausbildungsmesse Flyer auszulegen. Jeder Mensch ist neugierig, und darüber versuchen wir, das technische Interesse bei Jugendlichen zu wecken“, erklärt Flach. Das ist einer der Gründe, warum die Technikerschule auch auf der IdeenExpo vom 8. bis 16. Juni in Hannover dabei ist und in diesem Jahr am Stand der KuK-Industrie unter anderem die Herstellung von Radiergummis aus thermoplastischem Elastomer zeigt.

Dozent Georg Schillinger (links) fachsimpelt mit Isaak Ali über technische Details. Foto: KAUTSCHUK/Gerd Scheffler

Dozent Georg Schillinger (links) fachsimpelt mit Isaak Ali über technische Details. Foto: KAUTSCHUK/Gerd Scheffler

Nicht nur vorwärts, sondern an die Spitze

Rainer und Arnold Flach sind sich sicher, dass die Kunststoff- und Kautschukbranche, die so viele zukunftsträchtige Technologien und Karrieremöglichkeiten bietet, auch in Zukunft genügend Interessenten finden wird, wenn sie weiter beworben wird. Doch bis dahin gilt es, junge Menschen, die bereits eine technische Ausbildung abgeschlossen haben oder kurz davor stehen, für die zusätzliche Aus- oder Weiterbildung zum Kunststoff- und Kautschuktechniker an der Technikerschule zu begeistern.

Isaak Ali und Hendrik Schreyer sind seit letztem Jahr dabei. Der 27-jährige Ali kennt sich mit dem Werkstoff bereits bestens aus: Nach dem Fachabitur machte er zunächst eine Ausbildung zum Elektrotechniker, merkte dann aber, dass ihn Gummi und Kunststoff viel mehr interessieren. Also ließ er sich bei Goodyear-Dunlop (heute Goodyear) in Hanau zum Verfahrensmechaniker für Kautschuktechnik ausbilden. Aus dieser Zeit kennt er die Technikerschule.

„Ein Lehrer hat mich dann auf die Idee gebracht, die Weiterbildung zu machen“, erzählt Ali. Er kündigte seinen Job und entschied sich, statt Geld zu verdienen, noch einmal die Schulbank zu drücken. „Natürlich haben viele Freunde und auch meine Eltern gefragt, warum ich wieder zur Schule gehe. Aber als ich ihnen erklärt habe, dass ich damit nicht nur weiterkomme, sondern auch einen echten beruflichen Durchbruch schaffe, waren sie überzeugt.“

Für die Zeit der Weiterbildung ist Ali wieder zu seinen Eltern nach Mühlheim am Main gezogen. Außerdem bekommt er Bafög. Rund 800 Euro monatlich Aufstiegs-Bafög gibt es für die Dauer der Weiterbildung. „Das ist erst einmal ungewohnt, wenn man jahrelang mehr Geld verdient hat“, sagt der junge Mann lächelnd. „Aber die Investition in meine Zukunft ist es mir wert.“

Nach vielen Jahren Berufserfahrung kehrt Hendrik Schreyer zurück auf die Schulbank, um als Techniker neue Karrierewege zu erschließen. Foto: KAUTSCHUK/Gerd Scheffler

Nach vielen Jahren Berufserfahrung kehrt Hendrik Schreyer zurück auf die Schulbank, um als Techniker neue Karrierewege zu erschließen. Foto: KAUTSCHUK/Gerd Scheffler

Weiterbildung mit Zusatzqualifikationen

Auch Hendrik Schreyer hat nach der Realschule eine Ausbildung bei Goodyear-Dunlop gemacht und danach zwei Jahre gearbeitet, bevor er sich zum KuK-Techniker weiterbildete. Inzwischen ist er bei einer Firma angestellt, die Fensterscheiben herstellt. „Das ist zwar fachlich ein anderer Bereich, aber für die freie Techniker-Stelle in meiner Firma ist der Werkstoff nicht entscheidend“, sagt Schreyer.

„Alles, was wir hier vermitteln, hat einen tiefen fachlichen Charakter, bietet aber auch viele Zusatzqualifikationen“, ergänzt Schulleiter Rainer Flach. „Unser Anspruch ist es, dass unsere Schülerinnen und Schüler die Schule als Menschen verlassen, die lösungsorientiert denken und innovative Wege entwickeln können, wie sie an ihr Ziel kommen. So können sie später auch ganz andere Projekte managen, die nicht unbedingt etwas mit Kautschuk oder Kunststoff zu tun haben.“ Diesen Wert hat auch Hendrik Schreyers Arbeitgeber erkannt. Er stellt den 24-Jährigen für die Zeit der Weiterbildung frei und zahlt ihm sein Gehalt weiter – unter der Bedingung, dass Schreyer nach dem Abschluss für mindestens ein Jahr ins Unternehmen zurückkehrt.

Technikerschule Gelnhausen – die Fakten

Seit 1984 bildet die Technikerschule Gelnhausen mit großem Erfolg Kunststoff- und Kautschuktechniker aus. Mit ihrem hochmodernen Technikum und zahlreichen Anlagen nach Industriestandard ermöglicht die Schule eine praxisnahe und zukunftsorientierte Berufsvorbereitung, die von erfahrenen Lehrkräften unter anderem aus der Branche vermittelt wird. Die Ausbildung dauert zwei Jahre in Vollzeitform und ist kostenfrei. 

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