Ausbildung

Leidenschaft für Leistung

Was tun gegen Deutschlands Bildungsmisere? Die Kautschukarbeitgeber suchen gemeinsam mit Betrieben und Experten nach Lösungen

von Werner Fricke

· Lesezeit 3 Minuten.
Einhelliger Tenor auf dem „Bildungs-Talk“ der Stiftung NiedersachsenMetall und des ADK: Wir brauchen eine Bildungsoffensive! Foto: Werner Kaiser

Hannover. Mangel, Mangel und noch mehr Mangel: Das schwache Abschneiden deutscher Schüler in der aktuellen Pisa-Studie, die vielen ausgefallenen Schulstunden, der Lehrkräftemangel und die dramatisch gesunkenen Mathe-Kenntnisse bei Auszubildenden – die Liste der Mängel bei der Bildung ist lang und der Handlungsdruck hoch. Aus Sicht der Stiftung NiedersachsenMetall und des Arbeitgeberverbands der Deutschen Kautschuk­industrie (ADK) ist das deutsche Bildungssystem in „katastrophalem“  Zustand. „Für eine Nation, die auf den ‚Rohstoff in den Köpfen‘ angewiesen ist, um ihren Wohlstand zu  sichern, sind die Ergebnisse ein Armutszeugnis“, sagt der Bildungsexperte der Verbände, Olaf Brandes. „Pisa hat gezeigt, dass Deutschland bereits den Anschluss an vergleich­bare Industrieländer verloren hat.“

Mit der Pisa-Note sinkt die Ausbildungsreife

Bei der Analyse wollen es Brandes und sein Team nicht belassen. Es sollen Lösungen her. Deshalb haben sie jüngst Experten aus Schule, Uni und Betrieben zu „Bildungs-Talks“ in Hildesheim und Braunschweig eingeladen. Einhelliger Tenor: Wir brauchen eine Bildungsoffensive! 

Der Trend ist alarmierend: Seit der ersten internationalen Schulleistungsstudie der OECD im Jahr 2000 haben die deutschen Schüler vor allem in Mathematik und den Naturwissenschaften noch nie so schlecht abgeschnitten wie in der jüngsten Untersuchung: In Mathe etwa verfügt aktuell jeder dritte Jugendliche nicht über das erforderliche Basiswissen. „Daraus ergeben sich Probleme mit der Ausbildungsreife“, sagt Christina Anger, Bildungsexpertin vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Schließlich braucht es mathematisches Wissen für viele Ausbildungen und in Studiengängen wie Informatik, Natur-, Ingenieurwissenschaften und Technik. 

„In Mathe fehlt jedem dritten Jugendlichen das Basiswissen“
Christina Anger, Bildungsexpertin im IW

Doch wie kann man die Probleme angehen? Ellen Osterode-Meyer, Leiterin einer Realschule in Hildesheim, verweist auf Defizite, die Schüler bereits aus der Grundschule mitschleppen. Allerdings sieht sie auch viel ungenutztes Potenzial, weil Kinder häufig „Freude am Lernen“ mitbrächten. Doch um die zu aktivieren, müsse einiges passieren. „Wir benötigen mehr Sozialarbeiter, Schulassistenten und das Lernen in kleineren Gruppen“, mahnt Osterode-Meyer.

Bildungskonferenz: Interessierte und Expertenrunde mit Personalleiterin Friedrike Hartrich, Schulleiterin Ellen Osterode-Meyer, Professor Jürgen Menthe, Moderator Tarek Abu Ajamieh und Expertin Christina Anger (von links). Foto: Werner Kaiser

Bildungskonferenz: Interessierte und Expertenrunde mit Personalleiterin Friedrike Hartrich, Schulleiterin Ellen Osterode-Meyer, Professor Jürgen Menthe, Moderator Tarek Abu Ajamieh und Expertin Christina Anger (von links). Foto: Werner Kaiser

Aber nicht nur an solchen Fachkräften fehlt es den Schulen. Auch die Lehrerzimmer werden immer leerer. „Es gibt immer weniger Lehramtsstudierende“, sagt Professor Jürgen Menthe, der an der Uni Hildesheim Lehrkräfte für Haupt- und Realschulen ausbildet. Er fordert, das Studium attraktiver zu machen. Stattdessen machten viele Universitäten mittlerweile Kompromisse bei der Qualität der Bewerber.

Für Betriebe ergeben sich aus der Bildungsmisere neue Herausforderungen. „Es ist die Aufgabe von Unternehmen, die Auszubildenden weiterzubilden, um sie für den Arbeitsmarkt und das eigene Unternehmen fit zu machen“, sagt Friederike Hartrich, Personalleiterin bei der Hempelmann KG in Hildesheim, einem Großhändler für Haustechnik. Für ihr Unternehmen hat Hartrich dazu bereits ein Konzept entwickelt. Sie rät anderen Betrieben, in der Ausbildung nicht nur auf Wissensvermittlung zu setzen, sondern auch auf Emotion: „Wir müssen die Leidenschaft für Leistung wecken!“ 

Eckpunkte für die Bildung

Die Stiftung NiedersachsenMetall, enger Partner der Kautschukarbeitgeber, hat bereits 2023 einen Eckpunktekatalog für die Bildung erarbeitet. Eine der Kernforderungen: Damit Schulen einen modernen und praxisnahen Unterricht anbieten können, müssen Schulleitungen und Lehrkräfte mehr Freiräume bekommen.

Die Formel dafür: weniger Bürokratie und mehr Budgethoheit. Außerdem brauchen Schulen Spielräume, um etwa Quereinsteiger zu beschäftigen. Lehrerinnen und Lehrer sollten zudem von fachfremden Aufgaben entlastet werden.

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