Neues aus der Forschung

Milliarden für den Wasserstoff

Beim Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft gilt Wasserstoff als großer Hoffnungsträger. Das ist das Gas aber nur, wenn man es mithilfe von Ökoenergie erzeugt

von Elke Bieber

· Lesezeit 6 Minuten.
Grüne Wende: Mit 4,6 Milliarden Euro auf Kurs – Deutschland investiert in grünen Wasserstoff. Illustration: witsarut - stock.adobe.com

Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle, um Industrie und Energieerzeugung klimaneutral umzubauen. Bund, Länder und EU haben deshalb in diesem Jahr 4,6 Milliarden Euro für deutsche Wasserstoffprojekte bereitgestellt. Mit den Milliarden will man die Produktion von grünem Wasserstoff vorantreiben, innovative Wasserstoffspeicher schaffen, den Bau von Wasserstoff-Pipelines unterstützen und Lösungen für den Wasserstofftransport – etwa in Form von Ammoniak – entwickeln. Der Großteil des Wasserstoffs soll importiert werden. Dafür sollen fünf Importkorridore entstehen – die ersten Pipelines aus Dänemark und den Niederlanden gehen voraussichtlich schon 2027/28 in Betrieb.

Die Wege des Wasserstoffs

Allein das kürzlich genehmigte Wasserstoff-Kernnetz erfordert Investitionen von rund 19 Milliarden Euro. 2032 soll es in Betrieb gehen. Die Importkorridore sind für 2040 geplant. Vorgesehen sind Importe von bis zu 380 Milliarden Kilowattstunden im Jahr, und zwar auf diesen Wegen: über die Nordsee für Importe aus Dänemark, Großbritannien, Belgien und den Niederlanden, über die Ostsee aus Finnland und aus Offshore-Gebieten, über den Südostkorridor aus dem Nahen Osten, über den Südkorridor aus Algerien und Tunesien sowie den Südwestkorridor für Wasserstoff aus Spanien und Portugal.

                                                              

Was ist Wasserstoff?

Wasserstoff (Symbol: H) ist das häufigste chemische Element im Universum. Es ist Bestandteil von Wasser und den meisten organischen Verbindungen. Es ist zudem das leichteste Element und etwa 14-mal leichter als Luft. Unter normalen Bedingungen tritt es als sehr flüchtiges, farb- und geruchloses Gas (H2) auf. Das durchdringt viele Materialien. Unter anderem deshalb sind Transport und Lagerung von Wasserstoff technisch anspruchsvoll.

Außerdem ist Wasserstoff hochentzündlich und damit ein Gefahrstoff. Bei Kontakt mit Luft kann es leicht zu einer Knallgasexplosion kommen. Um Wasserstoff zu verflüssigen, bedarf es extremer Kälte: minus 253 Grad Celsius. In diesem Zustand hat er die höchste Speicherdichte und den größtmöglichen Energiegehalt. Er lässt sich dann platzsparend befördern, das stellt aber hohe Anforderungen an die Kryotanks (tiefkalte Speicher). Klimaneutral erzeugter Wasserstoff gilt als Schlüsselelement der Energiewende – aber es braucht Lösungen, um ihn zu transportieren.

Die Farben des Wasserstoffs

  • Grün: Der Wasserstoff wird per Elek­trolyse aus Wasser hergestellt, und zwar allein mit Strom aus erneuerbaren Energien. Treibhausgase entstehen dabei nicht.
  • Grau: Dieser Wasserstoff wird aus fossilen Energien, in der Regel Erdgas, erzeugt. Als ein Nebenprodukt entsteht dabei das Treibhausgas Kohlendioxid. Als grau wird Wasserstoff auch bezeichnet, wenn der benötigte Strom aus dem Netz kommt, also zum Teil aus fossilen Kraftwerken.
  • Blau: Er wird wie grauer Wasserstoff gewonnen, das entstehende Kohlen­dioxid aber abgefangen und unterirdisch gespeichert. Auch Wasserstoff, der auf Biogas statt auf Erdgas basiert, gilt als blauer Wasserstoff.
  • Pink: Per Elektrolyse produzierter Wasserstoff. Der Strom für den Prozess kommt allerdings aus Kernkraftwerken. Das erzeugt zwar keine Treibhausgase, hat dafür aber andere Umweltnachteile.
  • Türkis: Das ist Wasserstoff, der durch die sogenannte Methanpyrolyse bei 700 bis 1.000 Grad Celsius aus Methan erzeugt wird, dem Hauptbestandteil von Erdgas. Dabei entstehen Wasserstoff sowie Kohlen­stoff in fester Form, aber kein Klimagas. Den Kohlenstoff nutzt man anderweitig oder entsorgt ihn. 
  • Weiß: Dieser Wasserstoff fällt als Nebenprodukt in chemischen Prozessen an. Weißer Wasserstoff entsteht auch geochemisch in der Erde. Natürliche Vorkommen gibt es zum Beispiel in Afrika.

Der „Champagner unter den Energieträgern“

Wasserstoff ist brennbar und lässt sich ähnlich wie Erdgas als Energieträger verwenden. Beim Verbrennen mit Sauerstoff setzt er nur Wasserdampf frei. Er gilt deshalb als „Champagner unter den Energieträgern“. Aber: Der Aufwand für Gewinnung und Transport ist sehr hoch. Das mindert den Wirkungsgrad. Sinnvoll ist der Einsatz nur da, wo man Strom aus Wind und Sonne nicht direkt nutzen kann.

Hier ist Wasserstoff sinnvoll

  • Schwerlastverkehr: Bei Lastwagen punktet der Energieträger Wasserstoff mit schnellem Tanken, hoher Reichweite trotz schwerer Transportlasten und geringem Gewicht. 
  • Flug- und Schiffsverkehr: Flüssige synthetische Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff sind hier voraussichtlich die Energieträger der Zukunft.
  • Stahlerzeugung: Hier soll Wasserstoff die Kohle als Reduktionsmittel ersetzen. So lässt sich aus Erz Stahl gewinnen, ohne Klimagas freizusetzen.
  • Chemieindustrie: Sie braucht Wasserstoff als Rohstoff, zum Beispiel für die Düngemittelherstellung. Bisher kommt er meist aus Erdgas. Grüner Wasserstoff ist eine nachhaltige Alternative.

Hier sind Alternativen besser

  • Pkws: Bei Autos ist es effizienter, mit Batterien zu fahren und den Strom direkt für den Elek­tromotor zu nutzen. Mit grünem Strom erst Wasserstoff oder künstliche Treibstoffe fürs Fahren zu erzeugen, frisst sehr viel Energie. 
  • Heizen: Die Wärmepumpe nutzt grünen Strom direkt, während der Energieträger Wasserstoff zum Heizen erst aufwendig mit Strom erzeugt werden muss. Zudem hat die Wämepumpe einen viel höheren Wirkungsgrad als die Brennstoffzellen-Heizung.
  • Wasserarme Regionen: Weil man zum Erzeugen von grünem Wasserstoff Wasser braucht, kann es in trockenen Regionen zu Konflikten mit anderen Nutzungen von Wasser kommen.

Kleines H2-Glossar

Ammoniak: Gasförmige Verbindung (NH3) aus Stickstoff (N) und Wasserstoff (H). Ammoniak lässt sich leichter transportieren als Wasserstoff: Es hat eine höhere Energiedichte und ist weniger entzündlich. Aber auch für das Gefahrgut Ammoniak gelten strenge Transportvorschriften. Die Umwandlung von Wasserstoff in Ammoniak und wieder zurück ist mit Energieaufwand verbunden. Deutschland hat im Sommer einen ersten Liefervertrag für Wasserstoff aus dem Ausland abgeschlossen: Bis 2032 sollen über 259.000 Tonnen Ammoniak per Schiff aus Ägypten kommen.

Brennstoffzelle: Den Strom für die E-Mobilität kann man auch mit einer Brennstoffzelle aus Wasserstoff erzeugen. Dabei entsteht durch eine elektrochemische Reaktion aus Wasserstoff und Sauerstoff der Strom für das Auto. Als Nebenprodukt bildet sich Wasser. Es gibt verschiedene Brennstoffzellentypen, je nach verwendetem Gas, Zelleigenschaften, Betriebstemperatur und erzeugter Leistung. Manche Zelltypen nutzen Me­thanol oder Erdgas als Brennstoff.

Elektrolyse: Sie ist bisher das Verfahren, um klimaneutral Wasserstoff zu erzeugen. Dabei gewinnt man mithilfe von Strom aus Wasser (H2O) Wasserstoff und Sauerstoff. Voraussetzung ist allerdings der Einsatz von Strom aus Wind, Sonne oder Wasserkraft. Die Elektrolyse ist das Gegenstück zur Reaktion in der Brennstoffzelle.

LOHC: Liquid-organic hydrogen carrier (flüssige organische Wasserstoffträger) sind ölartige Substanzen, die Wasserstoff binden. Sie dienen als Trägermaterial, um den Wasserstoff sicherer und einfacher – ohne Herunterkühlen und ohne extremen Druck – über längere Strecken zu transportieren. Die bestehende Öl-Logistik, etwa Tankwagen, ist für den Transport geeignet. Allerdings verbrauchen sowohl das Speichern des Wasserstoffs im Trägermittel als auch das Freisetzen nach dem Transport Energie.

Methanol: Flüssiger, leicht entzündlicher Alkohol mit der Summenformel CH3OH. Er gilt in der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ebenso wie Ammoniak als besser transportfähiges Derivat, zumindest über weite Entfernungen hinweg. Ein entsprechendes Förderprojekt mehrerer Fraunhofer-Institute findet in Chile statt. Am Bestimmungsort in Deutschland angekommen, muss Methanol dann rückverwandelt werden, um wieder Wasserstoff zu gewinnen.

Naphtha: Naphtha, auch Rohbenzin genannt, wird aus Erdöl gewonnen, ist ein Gemisch aus Kohlen­wasserstoffen und ein sehr wichtiger Rohstoff für Chemiebetriebe und Raffinerien. In Zukunft könnte man Naphtha auch aus im Kreislauf ge­führtem Klimagas und Wasserstoff synthetisch erzeugen. So würde Wasserstoff der Chemie­industrie eine neue Rohstoffbasis verschaffen. 

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